War dieser Piks der Anfang vom Ende der Corona-Pandemie in der Schweiz? Am Tag vor Heiligabend erhielt eine 90-jährige Luzernerin die erste Impfung des Landes – ein Hoffnungsschimmer auf dem Weg zurück zur Normalität.
Stören könnte da jedoch vor allem eines: Die Skepsis der Schweizerinnen und Schweizer. Um das Virus nachhaltig zu stoppen, braucht es eine Impfquote von mindestens 70 Prozent. Bis jetzt aber, so zeigt eine Umfrage der Universität Zürich, sind nur 50 Prozent bereit, sich eine Injektion gegen Covid-19 verabreichen zu lassen.
Unterstützt vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt das Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung zusammen mit dem Zentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft seit September ein Monitoring zur Impfbereitschaft durch. Wöchentlich fühlen die Forscher der Bevölkerung den Puls und fragen jedes Mal dasselbe: «Wenn aktuell eine Impfung gegen das Coronavirus verfügbar wäre: Wie wahrscheinlich wäre es, dass Sie sich impfen lassen würden?»
Die Resultate waren lange Zeit ernüchternd. Bis vor zwei Wochen antwortete jeweils weniger als die Hälfte der Befragten mit «sehr wahrscheinlich» oder «wahrscheinlich». Die Mehrheit blieb unentschlossen bis skeptisch.
Die neusten Ergebnisse deuten jedoch auf eine Trendwende hin. In der Woche vom 21. bis 27. Dezember, den Tagen nach der Impfstoffzulassung durch die Arzneimittelbehörde Swissmedic, sprang der Anteil der Impfwilligen von 41 auf rekordhohe 50 Prozent. Es ist der steilste Anstieg seit dem Beginn der Befragungen.
Gewinnen die Menschen also Vertrauen in den Corona-Impfstoff? Kommunikationswissenschaftler Thomas Friemel, Co-Leiter des Monitoring-Projekts «Covid-Norms», ist zuversichtlich. Noch sei es indessen zu früh, um tatsächlich von einer Trendwende zu sprechen: «Die Impfbereitschaft ist zwar gestiegen. Wir müssen nun aber beobachten, ob diese Entwicklung sich fortsetzt oder ob das nur ein kurzfristiger Ausreisser nach oben war.»
Jeder Dritte will nicht
Neben den 50 Prozent der Impfwilligen gibt es noch immer eine erhebliche Zahl an Impfskeptikern. Beinahe jeder dritte Befragte will sich zurzeit nicht immunisieren lassen. 20 Prozent sind noch unentschlossen.
Auffallend ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während sich bei den Männern rund 56 Prozent offen für eine Impfung zeigen, sind es bei den Frauen nur gerade 43 Prozent.
Eine zentrale Rolle in der Beurteilung eines Impfschutzes spielt auch das Alter. Bei den über 50-Jährigen sind knapp 60 Prozent bereit, sich immunisieren zu lassen, bei den 15- bis 49-Jährigen nur rund 40 Prozent.
Dass ältere Menschen – Angehörige jener Generationen also, die ein grösseres Risiko für schwere Krankheitsverläufe tragen – mehrheitlich positiv auf die Impfung reagieren, erwies sich auch beim Impfstart. In mehreren Kantonen begannen mobile Teams in den letzten Tagen damit, Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu immunisieren. Die Akzeptanz gegenüber der Impfung war überall hoch.
So etwa im Kanton Basel-Landschaft, wo letzte Woche mehr als 200 Leute die Spritze bekamen. Krisenstabssprecher Roman Häring: «Bei den Alters- und Pflegeheimen dürfen wir einen sehr hohen Anteil an Impfwilligen verzeichnen.» Bis zu 90 Prozent der Senioren hätten das freiwillige Angebot angenommen.
Auch Luzern macht vorwärts. David Dürr, Leiter der Dienststelle Gesundheit und Sport, kündigte an: «Das Gesundheits- und Sozialdepartement sieht vor, dass bis Mitte Januar alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeitenden von Alters- und Pflegeheimen, die sich impfen lassen wollen, mit der ersten Dosis versorgt sind.» Ende Februar soll dann die zweite Impfdosis folgen.
Riesiger Ansturm in Zürich
Laut Dürr liessen sich bis jetzt 80 bis 90 Prozent der Heimbewohner impfen. Einziger Wermutstropfen: Bei den Angestellten sei es nur «gut die Hälfte». Einen regelrechten Run auf das Vakzin gab es auch in Zürich. Am Mittwoch schaltete der Kanton eine Website frei, über die sich über 75-Jährige und Risikopersonen für die Impfung anmelden konnten. Die Termine waren innert Minuten ausgebucht. Nach kurzer Zeit brach die Anmeldeseite zusammen.
Am Abend schrieb die Gesundheitsdirektion in einer Medienmitteilung, die Website habe in der ersten Stunde nach der Freischaltung weit über 100'000 Zugriffe verzeichnet. Beim Ärztefon, das ebenfalls Anmeldungen bearbeitet, gingen pro Stunde rund 60 '000 Anrufe ein.
Der Grossteil der Kantone beginnt erst kommende Woche mit der Impfung. Schritt für Schritt werden die Kapazitäten dann ausgeweitet. Philippe Luchsinger (63), Präsident des Verbandes der Haus- und Kinderärzte, zeigt sich zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Der Beginn sei «gut schweizerisch zurückhaltend» erfolgt. «Seriös und korrekt wurde gestartet, wohltuend ohne Effekthascherei.» So soll das Impfen seiner Meinung nach auch weitergeführt werden.
Die Nachfrage nach dem Vakzin sei gross, so Luchsinger. «Wir bekommen sehr viele Anfragen von Patientinnen und Patienten über 75, aber auch von Jüngeren, mit und ohne Vorerkrankungen.» Ähnliche Beobachtungen machte auch Peter Burri Follath (50) von Pro Senectute Schweiz. Vor dem Impfstart seien die Senioren noch in zwei Lager geteilt gewesen. «Die einen wollten auf keinen Fall das Versuchskaninchen sein, die anderen konnten es kaum erwarten, geimpft zu werden.» Seit dem Impfstart überwiege nun aber die positive Einstellung.
In den nächsten Monaten geht es auch darum, möglichst viele der bisherigen Kritiker von einer Impfung zu überzeugen. Doch wie? Entscheidend ist nach Ansicht von Experten das Gefühl, umfassend über die Vor- und Nachteile informiert worden zu sein.
Die obersten Gebote für eine erfolgreiche Impfkommunikation sind also klar: Aufklärung und Transparenz.
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