Wie rassistisch bin ich wirklich?
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Gen-Z-Podcast «Soda hesches»:Wie rassistisch bin ich wirklich?

Schwere Rassismus-Vorwürfe an Berufsschule in Solothurn
Lehrerin bezeichnet Schüler als «Migros-Aff»

Die Anschuldigungen wiegen schwer. An der Berufsschule BBZ in Solothurn sollen Lehrpersonen Schülerinnen und Schüler rassistisch angegangen haben. Das nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach. Die Direktion weist die Vorwürfe von sich.
Publiziert: 07.03.2025 um 10:47 Uhr
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Aktualisiert: 07.03.2025 um 13:04 Uhr
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Gegen diverse Lehrpersonen und Ex-Lehrpersonen am Berufsbildungszentrum in Solothurn werden Vorwürfe erhoben.
Foto: Angela Rosser

Darum gehts

  • Rassismusvorwürfe gegen Solothurner Berufsschule BBZ
  • Schüler berichten von Diskriminierung, Demütigung und Drohungen durch Lehrkräfte
  • Vier Jahre später leidet Betroffener noch immer an posttraumatischer Belastungsstörung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Angela RosserJournalistin News

Mehrere Schülerinnen und Schüler des Solothurner Berufsbildungszentrums (BBZ) werfen der Schule Rassismus vor. Die Anschuldigungen wiegen schwer, denn auch die Direktion unternehme nichts gegen die Vorfälle.

Gewisse Lehrerinnen und Lehrer sollen Lernende aufgrund ihrer Hautfarbe herabgesetzt und diffamiert haben. Betroffene und Zeugen sind empört über den Umgang mit diesen Vorfällen. Statt klare Grenzen gegen Rassismus zu setzen, scheint die Schule solche Taten zu dulden und Kritiker einzuschüchtern.

Rassismus-Warnung vor Lehrbeginn

Einer der Betroffenen, Sade Bikoro* erzählt, dass er immer noch unter dem Geschehenen leide. Er begann 2018 eine zweijährige Grundausbildung. Bereits da sei er vor der Schule gewarnt worden. «Mir wurde gesagt, die seien gegen Ausländer und ich solle aufpassen», so B. 

Was die Menschen mit ihren Warnungen meinten, musste er 2019 schmerzlich selber erfahren. «Als wir im Deutschunterricht das Thema Rassismus behandelten, sollte ich vor der ganzen Klasse von meinen Erfahrungen berichten», erzählt er. «Nur weil ich eine andere Hautfarbe habe. Niemand hatte mich zuvor so direkt gefragt – weder in der Vergangenheit noch in der Schule. Natürlich ist das Thema wichtig, aber man sollte nicht gezielt einzelne Personen herauspicken», so B.

Depressionen und Drohungen

Als die Corona-Pandemie die Menschen ins Homeoffice und zu Fernunterricht zwang, sah sich B. erneut mit dem Thema konfrontiert. Während einer Teams-Lektion änderten einige Klassenkameraden das Hintergrundbild.

Es zeigte ein Meme einer schwarzen Person, die unvorteilhaft dargestellt war. «Als die Lehrerin das sah, begann sie zu lachen und fragte laut: ‹Ist das Sade im Hintergrund?› Und die gesamte Klasse lachte mit.»

B. erinnert sich: «Ich war geschockt und habe fast geweint. Warum musste sie ausgerechnet mich auswählen? Weil ich die einzige Person mit einer anderen Hautfarbe in der Klasse war.»

Weitere demütigende Vergleiche

Dies war jedoch nicht das einzige Mal. Während der Besprechung einer Lektüre verglich dieselbe Lehrperson einen Protagonisten mit ihm – erneut lachte die Klasse. «Ich wurde immer wieder herausgehoben und zum Opfer gemacht. Dabei wollte ich einfach nur lernen und in der Berufsschule weiterkommen», sagt B. 

«Ich verstehe Humor, aber wenn eine Lehrperson wiederholt solche Dinge tut, geht das zu weit. Eine Lehrkraft sollte ein Vorbild sein und niemanden blossstellen – schon gar nicht mit Namen», betont er. Als er sich an die Schulleitung wandte, sei der Vorfall heruntergespielt worden. «Nimm das nicht zu persönlich», sollen die Verantwortlichen ihm geraten haben. 

Depressionen wegen Rassismus

Aufgrund der ganzen Geschichte habe B. Depressionen bekommen. «Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht richtig essen, mir sind die Haare ausgefallen und ich habe nur noch geweint, weil mich niemand ernst nahm», erzählt er. 

Schliesslich wandte er sich an die Fachstelle Frabina in Solothurn. «Dort sagte man mir, dass es sich um Rassismus handelt – ob bewusst oder unbewusst. Solche Erfahrungen haben mentale Auswirkungen», erzählt er.

Aus einem ärztlichen Schreiben, das Blick vorliegt, geht hervor, dass bei ihm eine «posttraumatische Belastungsstörung nach anamnesisch wiederholten rassistischen Äusserungen seitens einer Lehrerin und MitschülerInnen» diagnostiziert wurde. 

Auch vier Jahre später lässt ihn das Erlebte nicht ganz los. «Mittlerweile bin ich stärker geworden und kann darüber sprechen. Ich möchte, dass das nicht wieder geschieht.» Auf Social Media machte der junge Mann mit Videos auf das Erlebte aufmerksam. «Der Direktor hat mir mit einem Schreiben gedroht, rechtliche Schritte einzuleiten, wenn ich diese nicht lösche.»

Keine Konsequenzen für «Migros-Aff»

Dass an der Schule nicht alles so zu laufen scheint, wie es sollte, zeigen auch Chatverläufe, die Blick vorliegen. Schüler bestätigen, dass es öfters zu Rassismus und Diskriminierungen an der Schule komme. «Wir werden anders behandelt als die Schweizer», schreibt einer. «Eine Lehrerin hat eine Schülerin vor der ganzen Klasse gedemütigt und gefragt, ob ihre Mutter überhaupt Deutsch spreche», schreibt ein anderer.

«Der Schulleiter versucht, alles zu verstecken, damit es nicht an die Öffentlichkeit gelangt», heisst es in der Nachricht weiter. In einer anderen Nachricht schreibt ein Lernender, dass ein Lehrer sogar einen Stuhl durchs Klassenzimmer geworfen habe. 

Bei einem weiteren Vorfall soll eine Lehrerin einen dunkelhäutigen Lernenden, der bei der Migros seine Ausbildung macht, als «Migros-Aff» bezeichnet haben, was mehrere Personen gegenüber Blick bestätigten. Gemäss den Beschwerdestellenden habe die Schule «lediglich eine Verwarnung ausgesprochen, anstatt harte Konsequenzen zu ziehen», erzählen die Lernenden.

Schulleitung hat keine Kenntnis von Vorfällen

Mit den Vorwürfen konfrontiert, antwortet der Direktor der Berufsfachschule, Bernhard Beutler, dass «sich die anonym geäusserten Vorfälle der Kenntnis der Schuldirektion entziehen – infolgedessen wurde auch keine Verwarnung ausgesprochen». «Die anonym und aus den sozialen Medien zitierten Vorfälle, wonach Lernende herabgesetzt, eingeschüchtert, bedroht oder diskriminiert wurden oder Lehrpersonen mit Stühlen geworfen haben sollen, entziehen sich der Kenntnis der Schuldirektion», schreibt Beutler weiter.

Schüler fordern Rücktritt von Schulleitung

Nicht nur ehemalige Lernende und Schülerinnen und Schüler, die aktuell am BBZ lernen, sind verunsichert. Auch ein zukünftiger Schüler meldet sich bei der Redaktion: «Es macht mir Angst, zu wissen, dass so etwas passieren kann, und ich finde es absolut inakzeptabel, dass die Lehrperson sogar noch verteidigt wird, während der betroffene Schüler bedroht wird. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen – insbesondere die Schulleitung – ihre gerechte Strafe erhalten.»

Gemeint ist ein Rücktritt von Direktor und Rektor, wie auch aus einem E-Mail von «besorgten Lernenden des BBZ Solothurn-Grenchen» an die Schulleitung hervorgeht. «Da das Vertrauen in Ihre Führung vollständig verloren gegangen ist, benötigen wir eine kompetente und engagierte Schulleitung, die sich aktiv für ein respektvolles und diskriminierungsfreies Lernumfeld einsetzt. Nicht mit Ihnen», lauten die klaren Worte.

* Name geändert

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