Das letzte Wort von Ruben D. - dann ist der Prozess zu Ende
Ruben D. hat das letzte Wort. Er sagt kontrolliert und ruhig: «Es tut mir für alle Angehörigen und alle Involvierten leid, dass ich verantwortlich bin. Für den Schmerz und dass ich es getan habe, es ist so. Was mir in den letzten 15 Jahren passiert ist, glaube ich noch nicht. Ich wünschte mir, dass ich alles rückgängig machen könnte, seit der Begegnung mit Paul T. Mein Leben wäre sicher anders verlaufen.» Er wünsche sich vom Gericht ein faires Urteil.
Der Prozess ist zu Ende. Das Urteil will das Gericht am Freitag, 23. August 2024, um 8 Uhr verkünden.
Verteidiger von Ruben D. kontert nochmals
Der Verteidiger von Ruben D. ergänzt: «Dass man in einer Wut mehr macht, das ist ja wohl menschlich. Bei meinem Klienten hat sich 15 Jahre lang alles aufgestaut. Es ist eskaliert, genau das ist der Totschlag.» Der Verteidiger von Ruben D. wird immer lauter: «Es wird nicht der Täter zum Opfer gemacht. Ich habe geschildert, was passiert ist. So ist es.» Was nicht alltäglich sei, ist das, was Ruben D. durchgemacht habe.
Auch Opferanwalt redet nochmals
Der Anwalt der Opferfamilie spricht ebenfalls nochmals. Ihn störe, dass nun vom Verteidiger von Ruben D. der Täter zum Opfer gemacht werde. Er unterstützt die Aussagen der Staatsanwältin. Zudem liest er aus den Einvernahmen etliche Aussagen von Personen vor, die kein gutes Licht auf Ruben D. werfen. So soll er jeweils manipulativ und gewalttätig gegenüber ihnen gewesen sein. Der Opferanwalt fragt: «Warum hat der Beschuldigte als erwachsene Person die Situation mit Paul T. nicht beendet? Warum hat er weiterhin freiwillig sexuellen Kontakt mit ihm gehabt?» Der Verteidiger habe zudem gesagt, jeder hätte sich so verhalten, wenn er das wie Ruben D. erlebt hätte. «Nein, sage ich. Dass man so zum Monster wird, ist nicht normal. Er hätte auch zur Polizei gehen können», so der Anwalt der Opferfamilie.
Es spricht nochmals die Staatsanwältin
Die Staatsanwältin bleibt bei ihren Ausführungen sowie bei ihren Anträgen und ergänzt: «Der sexuelle Missbrauch sei am Ende kein Freibrief für eine Tötung.»
Verteidiger von Ruben D. schliesst Plädoyer ab
Die Forderung des Privatklägers, vom Bruder von Paul T., sei vollständig abzuweisen, sagt der Verteidiger von Ruben D. Er liest nochmals alle seine Anträge vor. Dann hat er geschlossen.
Verteidiger wollte Geheim-Prozess
Der Verteidiger erzählt weiter, er habe den Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchführen wollen - auch unter Ausschluss der Presse. Doch das Gericht hatte abgewunken. Jetzt komme eben alles ans Tageslicht, so der Verteidiger. Die Familie von Ruben D. habe sich mit ihm versöhnt. Es werde auch keinen Rückfall mehr geben.
Ruben D. sei nicht nur Täter, sondern auch Opfer
Zur Strafzumessung sagt der Verteidiger von Ruben D.: «Im Zweifel muss man für den Angeklagten entscheiden.» Sein Klient sei - abgesehen von seiner Vorgeschichte - wegen der Waffe, die Paul T. gezogen habe, in Bedrängnis gewesen. Zudem habe er ausgesagt, dass er dies nie gewollt habe. Die Frage laute: «Wie schwer ist der Beschuldigte zu bestrafen?» Ruben D. sei nicht nur Täter, sondern auch Opfer. «Sein Leben ist zerstört. Aber mit seiner Intelligenz wird er es schaffen. Er möchte ein normales Leben leben», plädiert sein Anwalt.
Verteidiger von Ruben D. plädiert auf Totschlag
Der vorliegende Fall sei laut all seinen Ausführungen kein Mord, sondern «ein Totschlag», sagt der Verteidiger von Ruben D.
Jahrelange, aufgestaute Emotionen sollen zur Tat geführt haben
Zudem, so der Verteidiger von Ruben D., wisse man nicht, wer Paul T. an der Aare ausgezogen habe. Auch nicht, ob er nicht selber den Abfallsack angezogen habe. «Details wissen wir dazu nicht», sagt der Verteidiger. «Aber wir wissen, dass Paul T. die Waffe mit an die Aare genommen hatte.» Es sei offensichtlich, dass es dort einen gegenseitigen Kampf gegeben habe und das Opfer eine Schussverletzung hatte. Aber: «Was mein Klient vorher beabsichtigt hatte, wissen wir nicht.» Es seien die ganzen jahrelangen, aufgestauten Emotionen gewesen, die zur Tat geführt hätten.
«Mein Klient hat rot gesehen»
Zum Sachverhalt in der Tatnacht sagt der Verteidiger von Ruben D.: «Fakt ist, dass Paul T. eine Waffe besass, diese auch rausholte und zwei Mal abdrückte.» Paul T. habe sich nicht stellen und im Alter von 60 Jahren wegen all seinen Misshandlungen ins Gefängnis gehen wollen. «Die unterdrückte Scham meines Klienten und die jahrelange Misshandlung hat dann zum Kontrollverlust geführt», sagt der Verteidiger. Ruben D. habe an dem Abend zudem viel Alkohol und ein paar Joints geraucht. «Mein Klient hat rot gesehen.»
Heute steht in Olten SO Ruben D.* (28) vor Gericht. Der Grund: Der Rapper soll den Bestatter Paul T.* (†60) in der Nacht vom 7. auf den 8. September 2022 brutal getötet haben. Die Leiche wurde von einer Person an einer Böschung am Aare-Ufer in Winznau SO gefunden.
Wenige Tage später wurde Ruben D. als Tatverdächtiger verhaftet. Der zuletzt Arbeitslose wohnte laut Blick-Recherchen in einer Blockwohnung im Raum Solothurn. «Er wohnte seit Dezember hier», sagte ein Nachbar damals. «Ich habe ihn aber nicht oft gesehen.»
«Sie waren gute Kollegen»
Beobachtet hatten Nachbarn dafür den Polizeieinsatz und wie Ruben D. offenbar abgeführt wurde. «Ich habe gerade den Balkon geputzt, als ich alles geschockt mitansehen musste», sagte eine Frau in einem Wohnblock gegenüber. «Es waren auch zivile Polizisten vor Ort.»
Ruben D. hat seine Wurzeln jedoch in der Region Winznau – wie auch das Opfer, das allein gelebt hatte. «Sie waren gute Kollegen», sagte damals ein gemeinsamer Bekannter zu Blick. Er habe keine Ahnung, warum es zu diesem Drama gekommen sein könnte. Ruben D. habe sich in letzter Zeit aber komisch verhalten.
Was war das Motiv?
Warum es zum Tötungsdelikt kam, weiss die Öffentlichkeit bis heute nicht. Vor Gericht soll das Motiv jedoch auskommen.
Sicher ist bereits: Die Ermittler der Kantonspolizei Solothurn gingen rasch von einem Gewaltdelikt aus. Die Solothurner Staatsanwaltschaft veröffentlichte letzten November, dass der Beschuldigte den damals 60-Jährigen «mittels massiver körperlicher Gewalteinwirkung und unter Verwendung einer Schusswaffe auf besonders skrupellose Weise getötet» haben soll. Der Angeklagte sei geständig und befinde sich unter Anordnung von Ersatzmassnahmen auf freiem Fuss, so die Staatsanwaltschaft weiter.
Warum ist Ruben D. auf freiem Fuss?
Doch weshalb befindet sich der Verdächtige, der wegen Mordes angeklagt ist und skrupellos gehandelt haben soll, auf freiem Fuss? Dieser Frage ging Blick letzten November nach. Claudia Meier von der Staatsanwaltschaft Solothurn erklärte: «Es ist auch bei schweren Delikten nicht in jedem Fall zwingend, dass die beschuldigte Person bis zur Hauptverhandlung durchgehend inhaftiert ist.»
Anstelle der Untersuchungshaft könne das Gericht eine oder mehrere Ersatzmassnahmen anordnen, wenn sie den gleichen Zweck erfüllten wie die Haft. «Der Beschuldigte befand sich mehrere Monate in Untersuchungshaft und wurde schlussendlich unter Anordnung mehrerer Ersatzmassnahmen aus der Untersuchungshaft entlassen», sagte Meier weiter. Die Nichteinhaltung von Ersatzmassnahmen könne zur Rückversetzung in die Untersuchungshaft führen.
Urteil nicht mehr heute
In den sozialen Medien zeigte sich Ruben D. nachdenklich, aggressiv oder rappte in seinen eigenen Musikvideos. In einem Ausschnitt irrt er in der Dunkelheit in einem Waldstück herum.
Wo Ruben D. sein späteres Opfer vor der Tat traf und ob die Tötung an der Aare passierte, wird ebenfalls erst beim Prozess auskommen. Dieser findet vor dem Richteramt Olten-Gösgen in Olten den ganzen Tag statt. Das Urteil soll nicht mehr heute, sondern an einem anderen Tag verkündet werden.
*Namen geändert