«Es war Mord!»
«Sie haben sich des Mordes schuldig gemacht!», mit diesen Worten zeigte der vorsitzende Richter am Freitagnachmittag bei der Urteilsverkündung zum Tötungsdelikt von Bergdietikon AG, dass der Fall für das Gericht klar ist. Der Richter fuhr fort: «Sie haben unglaubliches Leid über Ihre Familie, die Freunde ihrer Ehefrau und ihre Arbeitskollegen gebracht.» Und weiter: «Ihre Kinder haben nicht nur ihre Mutter verloren, sondern nach so einer Tat auch den Vater.»
Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren für Mord, das Richtergremium blieb im Urteil mit 17 Jahren nur knapp darunter. Dass er den Mord aus finanzieller Gier gemacht haben soll, sei nicht erwiesen, so der Richter.
In der mündlichen Begründung erklärte er, warum das Gericht auf Mord und nicht auf Totschlag, wie von der Verteidigung gefordert, entschieden hatte. «Sie haben mit grossem Kraftaufwand Ihre Ehefrau in der Badewanne unter Wasser gedrückt. In der Position hatte sie keine Chance, sich zu wehren. Sie erlebte einen sehr qualvollen und langen Todeskampf.»
Der Richter weist auch die Kritik der Verteidigung am psychologischen Gutachten ab. «Der Experte hat klar gezeigt, dass Sie schuldfähig sind und an keiner psychischen Störung leiden.» Zudem sei es dank Zeugen erwiesen, dass er nicht erst kurz vor der Tat von der Affäre seiner Frau erfahren hat. Darum könne er auch nicht eine entschuldbare heftige Gemütsbewegung geltend machen.
Die Richter sehe ein anderes Motiv: «Sie wollten Ihre Ehefrau für die Affäre bestrafen. Sie schaute nicht mehr zu ihnen auf, sondern zu einem anderen Mann. Das konnten Sie nicht ertragen.»
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ende der Verhandlung um 16.03 Uhr.
Der Richter erklärt die Verhandlung als geschlossen. Der Angeklagte erhält seine Fussfesseln und Handschellen angezogen. Er umarmt seine Schwester und wird abgeführt. Er zeigt keine grossen Emotionen.
Unsägliches Leid verursacht
Der Richter führt anschliessend dem Beschuldigten vor Augen, was er verursacht hat: «Sie haben unsägliches Leid über die Familie, die Freunde und Arbeitskollegen Ihrer Ehefrau gebracht. Aus nichtigen Gründen. Ihre Kinder sind in einer prägenden Phase. Der Tod ihrer Mutter bedeutet grosse Zäsur in ihrem Leben. Sie wurde Opfer von einer sinnlosen Tat, von ihrem eigenen Vater getötet. Sie müssen die erlebten Trauma verarbeiten. Sie müssen in eine andere Schule.»
Äusserst qualvoller Tod
Das Opfer starb einen äusserst qualvollen Tod. Das sagt das rechtsmedizinische Gutachten. «Sie sagten aus, dass sie schnell ohnmächtig geworden ist. Das ist nicht so. Sie haben mit ihren eigenen Händen und dem Einsatz von grosser Kraft ihre Frau in der Badewanne unter Wasser gedrückt. Das Opfer hatte keine Chance in der Position. Sie haben die Wehrlosigkeit mit direktem Tötungsvorsatz ausgenutzt», sagt der Richter. Und weiter: «Sie haben die Kriterien für Mord erfüllt.»
Keine finanzielle Motivation
Der Richter hält im Sinne des Beschuldigten fest, dass ein finanzielles Motiv nicht erstellt ist. Aber: Er wollte die Frau für die aussereheliche Beziehung bestrafen. «Weil sie zu einem anderen Mann hochgeschaut hatte, wollten Sie sie züchtigen. Aus Eifersucht und Kontrollsucht haben Sie sie lückenlos getrackt. Sie haben die Kontrolle über die Ehefrau verloren. Darum wollten Sie sie töten», sagt der Richter.
Schon lange von Affäre gewusst
Der Vorsitzende Richter hält dann fest, dass der Beschuldigte schon länger von der ausserehelichen Beziehung gewusst hatte. Dass er es erst kurz vor der Tat das realisiert haben soll, bezeichnet er als Schutzbehauptung. «Wir haben mehrere Zeugenaussagen, die das Gegenteil beweisen. So haben Sie im Vorfeld mit dem Vater des Opfers über die Affäre gesprochen und wollten ihm Bilder zeigen. Er lehnte das ab, konnte aber bei der Befragung eine Aussage dazu machen.»
Keine Zweifel an Gutachten
Die Verteidigung stellte den Antrag, das Gutachten für den Prozess nicht zuzulassen. Das Gericht aber weist den Antrag ab. «Es gibt keine Anhaltspunkte, um an dem Gutachten zu zweifeln. Der Experte hat die Punkte schlüssig erklärt. Auch, dass es keine Einschränkung der Schuldfähigkeit gibt, hat er genügend erklärt», sagt der Richter.
Hohe Genugtuung
Der Vorsitzende Richter verliest für die Privatkläger die zugesprochenen Genugtuungen: Mutter und Vater des Opfers erhalten je 25'000 Franken, Bruder und Schwester je 15'000 Franken, die beiden Kinder je 60'000 Franken.
Es war Mord
Der Vorsitzende Richter verliest das Urteil. Der Beschuldigte ist des Mordes schuldig. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren verurteilt. Er wird für alle Privatkläger zu 100 Prozent schadenersatzpflichtig erklärt.
Aufwändige Sicherheitsmassnahmen auch vor der Urteilsverkündung
Wer an den Prozess im Gebäude der Mobilen Kantonspolizei Schafisheim will, wird streng kontrolliert. Sowohl vor dem Gebäude, als auch im Innern, kann sich niemand frei bewegen. Das Gepäck wird kontrolliert. Gefährliche Gegenstände sind verboten.
Afrim T.* (49) gibt zu, seine Frau getötet zu haben – will aber kein eiskalter Mörder sein. Am Mittwoch hat sich im Prozess um den gewaltsamen Tod von Ökonomin Shqiponja I.** (†41) zum ersten Mal der angeklagte Ehemann geäussert. Ihm droht für die Tat im September 2022 in Bergdietikon AG eine 18-jährige Haftstrafe wegen Mordes. «Skrupellos» sei der Schweizer mit albanisch-mazedonischen Wurzeln vorgegangen, als er seine Frau in der Badewanne des Einfamilienhauses ertränkt habe, so die Staatsanwaltschaft. Mit einem Föhn, den er danach noch in die Wanne geworfen hat, soll er einen Suizid des Opfers vorgetäuscht haben. Und nur kurz vor der Tat hat T. einen Erb- und Ehevertrag sowie einen Vorsorgevertrag abgeschlossen. Damit zeichnen die Ankläger das Bild eines von langer Hand geplanten Mordes.
Eine Tat aus der Emotion heraus?
Anders klingt die Version von Afrim T., die er vor dem Bezirksgericht Baden erzählte. Er gibt an: «Ich habe meine Frau getötet, das stimmt. Aber beim Anklagevorwurf bin ich anderer Meinung.» Konkret: Er habe aus der Emotion heraus gehandelt – nicht geplant.
Der Angeklagte beschreibt die Geschehnisse am Tattag folgendermassen: Nach dem Nachtessen sei seine Frau heimgekommen. Sie hätten noch zusammen Tee getrunken. Dann seien sie ins Bett. Mitten in der Nacht sei er erwacht, weil er das Wasser der Dusche gehört habe. Er sei ins Bad gegangen. Da habe er seine Frau in der Wanne am Duschen gesehen. Sie habe sich erschrocken und sofort auf ihr Handy auf dem Lavabo geschaut – «ich dann auch», so der Angeklagte. Afrim T. erzählt, was er für ein Bild gesehen habe. Blick geht nicht näher darauf ein. Es ist jedoch ein eindeutiges Bild, das seine Frau mit einer anderen Person zeigt. «Ich war schockiert, wie weg vom Fenster», sagt Afrim T.
«Ich habe sie unter Wasser gedrückt»
Schon länger hatte er laut Anklage vermutet, dass seine Frau untreu ist. Deshalb habe er im ganzen Haus Kameras installiert und auch das Handy seiner Frau überwacht. Seine Frau habe ihm in der Tatnacht das Handy wegnehmen wollen, erzählt Afrim T. weiter. Sie hätten dann um das Telefon gekämpft. Dieses sei runtergefallen. «Wir sind dann in die Badewanne gestürzt», so Afrim T. Sie seien seitlich reingefallen und hätten sich gedreht. «Ich war dann auf ihr.»
Afrim T. sagt beinahe emotionslos: «Ich habe sie unter Wasser gedrückt. Ich wollte, dass es aufhört, dass sie aufhört.» Irgendwann habe sich seine Frau nicht mehr bewegt. Wie lange hat er sie unter Wasser gedrückt, will der Gerichtspräsident wissen. «Vielleicht zehn Sekunden, gefühlt. Ich kann es nicht mehr sagen», antwortet Afrim T. «Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich die Kontrolle über mich hatte.» Er habe danach Panik gekriegt. «Laut Gutachten haben Sie Ihre eigene Frau ertränkt, Herr T.!», entgegnete der Gerichtspräsident.
Weder Ankläger noch die völlig aufgelösten Opfer-Angehörigen im Saal kaufen dem Angeklagten seine Version ab. Als Motiv sieht der Staatsanwalt Eifersucht und die fast zwei Millionen Franken, die er nach ihrem Tod aus dem Erb-Vertrag erhalten hätte. Das Urteil soll am Freitag fallen.
*Name geändert
**Name bekannt