«Jüngere Pfleger hinterfragen Impfung mehr»
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Im Altersheim Steinfeld:«Jüngere Pfleger hinterfragen Impfung mehr»

Nach Impf-Rüffel – Heimleiter kontert Berset
«Wenn er unsere Angestellten kritisiert, kritisiert er das Volk!»

Die Aussage von Bundesrat Berset, dass man in den Altersheimen «ein gröberes Problem» habe, bringt Lars Weissbarth (51) fast auf die Palme. Der Leiter eines Altersheims in Suhr AG kontert: «Wenn er die Altersheim-Angestellten kritisiert, kritisiert er das ganze Volk!»
Publiziert: 05.07.2021 um 13:53 Uhr
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Lars Weissbarth (51), Leiter des Alters- und Pflegeheims Steinfeld in Suhr AG: «Wenn Herr Berset die Altersheim-Angestellten kritisiert, dann kritisiert er auch das ganze Volk!»
Foto: Ralph Donghi
Ralph Donghi

Es ist eine klare Ansage: «In den Altersheimen haben wir ein gröberes Problem.» Es scheine, dass sich ein beträchtlicher Teil des Personals der Heime nicht impfen lassen wolle. Das gefährde ältere Menschen. «Das darf nicht sein.» Mit seinen Aussagen in der «NZZ» hat Bundesrat Alain Berset (49) in ein Wespennest gestochen. Vor allem in das der Heimleiter, die seit Monaten versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

«Wir haben kein gröberes Problem», kontert Lars Weissbarth (51), Leiter des Altersheims Steinfeld in Suhr AG, stellvertretend für seine Berufskollegen. «Die Impfbereitschaft der Altersheim-Mitarbeitenden widerspiegelt genau die Gesellschaft. Wenn Herr Berset die Altersheim-Angestellten kritisiert, dann kritisiert er auch das ganze Volk!»

Höhere Impfbereitschaft bei älteren Angestellten

Auch er stellt fest, dass die Impfbereitschaft bei den 20- bis 35-Jährigen nicht so hoch sei wie bei den Mitarbeitenden ab 40 Jahren. «Unsere Impfbereitschaft liegt beim Personal bei zirka 60 bis 65 Prozent.»

Laut Weissbarth herrsche in den Nebenbetrieben (Verwaltung, Wäscherei, Reinigung) «eine Impfbereitschaft von etwa 95» und in der Pflege bei «zirka 40 Prozent». Die Pflegenden würden eben wissen, was so eine Impfung auslösen könne. Sie würden sie mehr hinterfragen. Anders bei den über 40-Jährigen, die Nebenerkrankungen hätten oder zur Risikogruppe gehören würden: «Dort haben wir eine fast 100-prozentige Durchimpfung.»

Ungeimpfte haben höhere Hygiene-Standards

Weissbarth überlässt es den Mitarbeitenden, ob sie sich impfen lassen. Aber: «Ich hätte den Wunsch einer hohen Durchimpfung. Weil jeder, der sich impfen lässt, zählt.» Ungeimpfte müssten hingegen strengere Hygienemassnahmen einhalten. Bei den Bewohnern und im öffentlichen Bereich bestehe für alle Maskenpflicht.

Und die 100 Betagten? «Von ihnen sind etwa sechs nicht geimpft», so Weissbarth. Der Grund: Sie dürften es wegen ihrer Erkrankung nicht tun. Und dann gebe es solche, die sagen: «Ich bin schon alt genug. Mein Leben ist eh vorbei.»

Im Steinfeld waren 25 Menschen an Covid-19 erkrankt. «Leider hatten wir acht Todesfälle», sagt Weissbarth. Von den Mitarbeitenden waren 15 an Corona erkrankt.

Keine Sitzungen mit Kanton und Bund

Berset sagte, dass die Heimbetreiber Massnahmen ergreifen müssten. Wenn sich Angestellte schon nicht impfen lassen wollten, dann müssten sie sich zumindest einmal pro Woche testen lassen. Dies ist im Steinfeld bereits bei einem wichtigen Teil der Belegschaft der Fall. Zudem werden schon bei ersten Symptomen Tests durchgeführt - auch bei Bewohnern.

Dass Berset verlauten liess, der Bund möchte mit den Heimleitungen sowie den Kantonen sprechen, findet Weissbarth gut. Denn: «Ich hatte noch nie eine Sitzung, weder mit dem Kanton noch mit dem Bund.» Einzig bei mehreren Covid-Fällen sei sein Heim vom Kanton überprüft worden. Aber: «Mit Herrn Berset hatte ich noch nie das Vergnügen.»

Respekt hat Weissbarth – der vollständig geimpft ist – zurzeit am meisten vor der Delta-Variante: «Weil sie hochansteckend ist und Nichtgeimpfte sehr stark betroffen sein können.»

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