Auf diesen Tag wartet Selina S.* (22) seit Jahren. Am Donnerstag findet in Olten SO endlich der Prozess gegen ihren einstigen Peiniger William W.* (46) statt. Seit der Tat vor etwa 14 Jahren stand sie dem Schweizer mit kolumbianischen Wurzeln nicht wieder gegenüber. Dem Mann, der nicht nur sie, sondern mutmasslich auch zehn weitere Kinder und Jugendliche missbraucht hat.
Die Anklageschrift zeigt, wie sich William W. an fünf Kinder heranmachte. So soll sie unter anderem mit Gratis-Cola in sein Restaurant in Olten gelockt haben. Die Opfer – drei Buben und zwei Mädchen – waren zur Tatzeit im Jahr 2018 zwischen fünf und 14 Jahre alt. Zudem geht aus der Anklageschrift hervor, dass William W. Tierpornos aus dem Internet heruntergeladen und konsumiert hat.
Pferdeschwanz, ausgewaschene Jeans
William W. wird durch den Seiteneingang ins Gericht geführt. Der Kinderschänder versteckt sich hinter einem gebastelten Schutzschild aus Papier – die Kapuze hat er tief in die Stirn gezogen. Sein Gesicht ist zusätzlich unter einer Hygienemaske verborgen.
Erst im Gerichtsaal ist der Beschuldigte zu erkennen: Der 46-Jährige trägt helle, ausgewaschene Jeans – er trägt sie so tief, dass der Bund seiner Boxershorts zum Vorschein kommt. Dazu ein weisses Hemd und braune Schuhe, die Haare wie immer zum Pferdeschwanz gebunden.
Immer wieder verhafteten die Behörden den heute 46-Jährigen – setzten ihn aber auch immer wieder auf freien Fuss. Deshalb konnte der Wiederholungstäter 2018 erneut zuschlagen: Drei der Kinder soll er missbraucht und zwei sexuell belästigt haben.
Seit den 90er-Jahren als Kinderschänder bekannt
Rückblick: In den 90er-Jahren missbrauchte William W. fünf Kinder. 1999 wird er erstmals verurteilt und bekommt 18 Monate bedingt. Bei der angeordneten Therapie macht er nicht mit.
Im August 2006 vergreift sich W. in einer Baustellen-Baracke in Starrkirch-Wil SO an der damals achtjährigen Selina S. Dafür muss er fünf Jahre hinter Gitter. Doch die Strafe wird zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Obwohl er als untherapierbar gilt, kommt er 2016 wieder frei – wegen eines Behördenfehlers!
Behörden haben geschlampt
Für die Opfer ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht: W. kassiert sogar noch eine Entschädigung von 52'000 Franken, weil er zu lange einsass. Selina S. warnte danach im BLICK eindringlich vor ihrem Peiniger.
Ohne Gehör zu finden. Zwei Jahre nach der Haftentlassung wird der Kinderschänder wieder rückfällig. Die Übergriffe, wofür er sich jetzt vor Gericht verantworten muss, sollen zwischen Juli und November 2018 passiert sein.
«Man wusste ja, dass so etwas passiert»
Gemäss BLICK-Recherchen war der pädophile Wiederholungstäter damals für kurze Zeit Mieter des Restaurants Kleinholz in Olten. Dort fand man nach seiner Verhaftung in der Schublade seines Schreibtischs sogar noch verfängliche Kinderheftli von «Bibi & Tina». Ob er damit seine Opfer in die Falle locken wollte?
Selina S. leidet noch heute unter der grausamen Tat von William W. und sagt ganz offen, dass sie die schlimmen Bilder wohl nie vergessen werde. Wütend ist sie aber vor allem, dass der Pädophile überhaupt wieder freigekommen ist. Ihr eindeutiges Urteil: «Man wusste ja, dass so etwas passiert.»
Opfer hofft auf gerechte Strafe
Sie hofft nun auch, dass die fatalen Fehler der Solothurner Behörden im Gerichtssaal zur Sprache kommen. Doch eigentlich hat die junge Frau nur einen Wunsch an die Justiz: «Er darf einfach nie wieder freikommen!»
Zum Prozessbeginn passiert allerdings schon wieder ein Justiz-Flop. Weil der Dolmetscher, der die Videoaufnahmen mit den Kindern übersetzt hat, nicht richtig über seine Rechten und Pflichten belehrt wurde, müssen die Aufnahmen nochmals neu übersetzt werden. Am Donnerstag geht der Prozess vorerst mit Zeugenbefragungen und mit der Befragung von William W. sowie dem Gutachter weiter.
* Namen der Redaktion bekannt