Stadt Baden zwingt 90-Jährige, Spreitenbacherin zu werden – Schwester empört
«Sie kassierten 70 Jahre Steuern und schieben sie jetzt ab»

Nach einem Unfall musste Elisabeth Laube in ein Altersheim nach Spreitenbach AG ziehen, weil es in ihrem Wohnort Baden kein freies Zimmer gab. Nun fordert die Stadt Baden einen umstrittenen Wohnsitzwechsel. Laube und ihre Schwester Margaretha Gaberthüel wehren sich.
Publiziert: 12.11.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2024 um 12:16 Uhr
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Nach einem Unfall musste die Badenerin Elisabeth Laube in ein Altersheim in Spreitenbach ziehen, weil es in ihrer Heimatgemeinde keine freien Zimmer gab. (Symbolbild)
Foto: keystone-sda.ch
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Gina KrücklReporterin

Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Elisabeth Laube (90) hat fast ihr ganzes Leben in Baden AG verbracht. Trotzdem will die Stadt sie nun zwingen, ihren Wohnsitz nach Spreitenbach AG zu verlegen, weil sie dort in einem Altersheim ist. Laube weigert sich. Und auch ihre Schwester Margaretha Gaberthüel (88) ist nicht gewillt, kampflos aufzugeben. 

Wegen eines Sturzes verbrachte Elisabeth Laube vor einem halben Jahr einige Wochen im Kantonsspital Baden, erzählt Gaberthüel. «Nach dem Unfall war sie immer wieder sehr verwirrt.» Doch zum Glück gehe es ihr langsam besser. «Ich habe meiner Schwester vor kurzem vom Entscheid der Stadt Baden erzählt, und sie ist empört.» Seit Jahren erledigt Gaberthüel den Papierkram für ihre Schwester und hat seit dem Unfall auch eine Vollmacht. Darum führt sie nun dieses Gespräch mit Blick.

Wegen Platzmangel nach Spreitenbach

«Nach dem Unfall konnte meine Schwester nicht mehr allein in ihrer Wohnung in Baden leben», so Gaberthüel. Weswegen sie vom Spital im nächstgelegenen Altersheim mit freiem Zimmer angemeldet wurde. Obwohl Laube bereits seit Anfang Jahr auf der Warteliste des Badener Alterszentrums Kehl stand, kam sie darum ins Spreitenbacher Alters- und Pflegeheim Im Brühl.

Lange hat Gaberthüel überlegt, ob sie ihre Schwester zurück nach Baden ins Altersheim Kehl zügeln soll, sobald dort ein Platz frei wird. Doch das sei keine Option: «Meine Schwester hat sich an ihr neues Umfeld gewöhnt und fühlt sich dort wohl. Ich kann ihr nicht schon wieder den Stress eines Umzugs zumuten.» Umso wichtiger sei es für sie, dass sie zumindest offiziell noch Bürgerin von Baden ist.

Als die Stadt Baden plötzlich einen Wohnsitzwechsel verlangte, war Gaberthüel geschockt. «Sie sagen, meine Schwester sei freiwillig nach Spreitenbach gezogen und müsse sich darum abmelden.» Doch für Gaberthüel ist klar: «Es geht nur ums Geld!» Denn: Die Wohngemeinde von Laube muss einen Teil der Kosten an ihrem Heimaufenthalt zahlen. «Sie kassierten 70 Jahre Steuern und schieben sie jetzt ab.» 

Ein ganzes Leben in Baden

Rückblick: Die kleine Elisabeth Laube (damals noch Elisabeth Dick) kam gerade in die 5. Klasse, als ihre Familie vom Nachbarort Wettingen AG nach Baden zog. Nach der Schule lernte sie hier ihren Mann, einen gebürtigen Badener, kennen, und gemeinsam führten sie jahrzehntelang seine Familien-Bäckerei.

Margaretha Gaberthüel erinnert sich noch gut an diese Zeit. «Die Bäckerei war einer der Treffpunkte in Baden-West. Am Morgen kamen die Arbeiter der umliegenden Fabriken, am Nachmittag die Hausfrauen.» Später habe das Paar eine zweite Filiale im Zentrum eröffnet.

Doch auch nach der Rente und dem Tod ihres Mannes sei ihre Schwester stark in Baden verwurzelt gewesen, erzählt Gaberthüel. «Elisabeth hat mir immer wieder gesagt, dass Baden ihre Heimat ist und sie niemals hier wegwill.» Zumal fast alle von Laubes Familienmitgliedern in der Gemeinde wohnen.

«In der Regel» kein Wohnsitzwechsel

Auf Anfrage geben das Badener Alterszentrum Kehl und das Spreitenbacher Altersheim Im Brühl an, viele Bewohnende von ausserhalb der eigenen Gemeinde zu haben. Jedoch müssten diese «in der Regel» nicht ihren Wohnsitz wechseln. Laut dem Alterszentrum Kehl ist das so, weil über 90 Prozent der Bewohnenden wie Laube notgedrungen vom Spital eingewiesen werden.

Wohnsitz-Debatte beim Heimeintritt

Die Wohnsitz-Debatte beim Heimeintritt wird schon lang geführt. Nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern sogar von Gemeinde zu Gemeinde werden Wohnorte bei Heimeintritten unterschiedlich definiert. Aktuell befasst sich die Bundespolitik damit. Unter anderem soll beim Heimeintritt standardmässig ein Nebenwohnsitz entstehen.

Genau das empfehlen auch der Aargauer Gesundheitsverband und die Gemeindeammänner-Vereinigung. Die Aargauer Einwohnerdienste halten dagegen und wollen, dass die meisten Personen beim Eintritt ins Pflegeheim den Hauptwohnsitz wechseln müssen. Bis heute gab es keine Einigung.

Die Wohnsitz-Debatte beim Heimeintritt wird schon lang geführt. Nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern sogar von Gemeinde zu Gemeinde werden Wohnorte bei Heimeintritten unterschiedlich definiert. Aktuell befasst sich die Bundespolitik damit. Unter anderem soll beim Heimeintritt standardmässig ein Nebenwohnsitz entstehen.

Genau das empfehlen auch der Aargauer Gesundheitsverband und die Gemeindeammänner-Vereinigung. Die Aargauer Einwohnerdienste halten dagegen und wollen, dass die meisten Personen beim Eintritt ins Pflegeheim den Hauptwohnsitz wechseln müssen. Bis heute gab es keine Einigung.

Gemäss dem Bundesgericht behält man beim Heimeintritt seinen Wohnsitz, wenn die Einweisung von Dritten entschieden wird. Anders liegt der Fall, wenn sich eine urteilsfähige Person freiwillig zu einem dauerhaften Heimaufenthalt entschliesst und das Heim frei wählt.

Doch genau diese Richtlinie des Bundesgerichts legt die Stadt Baden zu ihren Gunsten aus. Auf Anfrage von Blick schreibt sie, dass Elisabeth Laube beim Heimeintritt urteilsfähig war und es keine Einweisungsverfügung vom Spital oder der Kesb gibt. Stattdessen habe sie sich für einen Eintritt im Spreitenbacher Heim entschieden. Einen Beweis dafür sieht die Stadt in einer Einschätzung des Kantonsspitals Baden.

Laut Spital «keine andere Wahl»

Darin steht: Elisabeth Laube war urteilsfähig und hat zugestimmt, ins Spreitenbacher Heim zu ziehen. Darin steht aber auch, dass Elisabeth Laube «vorübergehend delirant», also verwirrt war. Zudem seien keine spezifischen Tests gemacht worden, weil die Urteilsfähigkeit von Laube nicht relevant gewesen sei – da es nur einen einzigen freien Pflegeplatz gab. «Sie hat dem Umzug zugestimmt, da sie und wir keine andere Wahl hatten.»

Für Gaberthüel ist klar: «Meine Schwester war weder körperlich noch geistig fähig zu entscheiden. Das musste ich für sie tun. Und was hätten wir sonst tun sollen: sie wochenlang im Spital lassen oder auf die Strasse stellen?»

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