Auf einen Blick
- PS-starke Autos sind gefährlich für ungeübte Fahrer
- Fahrexperte Oliver Glaninger kritisiert das Ausschalten von Fahrassistenzsystemen
- Viele junge Fahrer überschätzen ihre Fähigkeiten und handeln riskant
- Glaninger fordert PS-Beschränkung für Neu- und Junglenker
Regelmässig gibt es in der ganzen Schweiz Unfälle mit PS-starken Autos, deren Heck beim Beschleunigen ausbricht. Dies seit vielen Jahren. Praktisch jede Woche liest man dies in Meldungen der Polizei.
In der Nacht auf Sonntag schrottete Luan T.* (26) seinen BMW M3 mit 510 PS in Villmergen AG. Wenige Stunden nachdem er ihn per Leasing-Vertrag für 103’000 Franken gekauft hatte. Zu Blick sagte er, er sei lediglich «ungefähr mit 40 km/h» in die Kurve gefahren und habe «nur kurz und ganz normal» beschleunigt.
Jetzt spricht ein Profi
Über diese Aussagen können Fahrexperten nur lachen. Allen voran Oliver Glaninger (48) aus dem Kanton Zürich. Der selbständige Unternehmer ist ein leidenschaftlicher Rennfahrer und war 27 Jahre lang als Profi auf internationalen Rundstrecken unterwegs – auch als Safety-Car-Fahrer. «Meiner Meinung nach war dieser Unfall in Villmergen völlig unnötig, weil man bewusst fahrphysikalische Grenzen ausschalten wollte», sagt er im Gespräch mit Blick.
Laut Glaninger, der heute unter anderem Fahrtrainings anbietet und Referate im Verkehrskunde-Unterricht führt, ist jedoch klar: «Eine Affinität für solche Autos wird einem nicht in die Wiege gelegt.» Dieses «Gehabe» nehme man im Jugendalter von Kollegen, Freunden oder dem erweiterten Familienumfeld auf. Aber auch die Nationalität spiele eine Rolle. «Von der Art und Weise, wie man erzogen wird.»
Warum handelt die Autoindustrie nicht?
Wenn die vorwiegend jüngeren Männer es offensichtlich nicht verstehen: Warum baut die Autoindustrie weiterhin Fahrassistenten ein, die sich abschalten lassen? «Weil es diese abschaltbaren Systeme natürlich braucht», erklärt Glaninger. Etwa beim Montieren der Schneeketten. «Oder für Leute, die auf einer Rennstrecke fahren oder Fahrkurse geben und Trainings machen. Aber auf der Strasse muss man diese Systeme sicher nicht ausschalten.»
Glaninger kennt solche Fahrer von seinen Kursen. «Sie sind grösstenteils schon lernbegierig», sagt er. Aber: «Es gibt immer wieder solche, die das Gefühl haben, sie müssen gar nicht zuhören, weil sie schon wissen wollen, wie das läuft.» Doch dies sei «eine reine Selbstüberschätzung». Viele von denen würden auf der Strasse dann «ein Machtgehabe ausüben» und zeigen wollen, was sie können. «Es geht bei denen natürlich auch um Prestige. Sie wollen zeigen, was für ein ‹Siebensiech› sie sind.»
«Autos mit einer solchen Kraft sind wie eine Bombe!»
Glaninger spricht Klartext: «Autos mit einer solchen Kraft sind wie eine Bombe!» Eine falsche Bewegung – und diese PS-Monster würden «zu Waffen», wenn man die Systeme im Auto ausschalte. «Und dann ist Feierabend für den nicht geübten Fahrer.»
Muss jetzt die Politik neue Gesetze schaffen? Glaninger findet: «Die Politik kann nicht in private Sachen eingreifen.» Und auch von den Auto-Herstellern her könne man nicht eine Änderung erwarten. «Das ist ein normales Business, das man nicht verbieten kann.»
Leasing-Firmen auch in der Pflicht
Ins gleiche Horn bläst der Ex-Profi-Rennfahrer auch bei den Leasing-Firmen, die solche Boliden vergeben. Aber: «Sie sollten vor einem Vertragsabschluss vielleicht abklären, ob auch wirklich derjenige das Auto fährt, der es leasen will.» Oft sei es so, dass Väter, Onkel oder Brüder die Wagen leasen und sie dann dem Jüngsten zum Fahren geben. Und: «Erst, wenn dann etwas passiert, gibt es das grosse Aha-Erlebnis.»
Nicht gerade förderlich sei die Tatsache, dass man in der Schweiz bereits im Alter von 17 Jahren das Autofahren lernen kann. Glaninger fordert deshalb: «Es sollte eine PS-Beschränkung für Neu- und Junglenker geben.»
«Man muss es lernen und im Training sein»
Und Glaninger denkt etwa an Japan, wo jedes Auto mit GPS ausgerüstet sei und sofort erkannt werde, wenn jemand das Fahrsystem ausschaltet und dann elektronisch eingegriffen werde. «Ausser, derjenige fährt von einer normalen Strasse auf eine Rennstrecke. Dort darf man es natürlich ausschalten. Dies könnte man in der Schweiz vielleicht auch einführen.»
Für Glaninger selber ist das schnellere Fahren «eine Passion». Aber er will festhalten: «Man muss es lernen und im Training sein.» Ihm sei auch schon das Heck ausgebrochen. Nur: «Als geübter Fahrer weiss man damit umzugehen – und das sicher nicht auf der normalen Strasse.»
*Name geändert