Auf einen Blick
- Junge Fahrer verursachen häufig Unfälle mit PS-starken Autos
- Experten fordern bessere Ausbildung statt PS-Beschränkungen
- Hochleistungsfahrzeuge sind schwieriger zu bedienen
«Teenie (19) baut Unfall mit 510 PS starkem BMW», «Tödlicher Drift-Unfall auf dem Parkplatz Atzmännig», «Lamborghini kollidiert mit Roller»: Immer wieder ereignen sich in der Schweiz Verkehrsunfälle mit Hochleistungsfahrzeugen. Die Unfallmeldungen klingen jeweils ähnlich. Ein Junglenker mit einem PS-starken Heckantrieb verliert die Kontrolle und crasht. Der jüngste Vorfall: Am vergangenen Donnerstag krachte ein junger BMW-Fahrer mit seinem Sportwagen gegen eine Betonwand. Zuvor war er von der Strasse abgekommen.
Verkehrssicherheitsexperten kennen das Problem und machen sich Sorgen. «Es ist schon auffällig, wie oft es in den letzten Monaten zu derartigen Unfällen gekommen ist», sagt Daniel Menzi (49), Mediensprecher bei Swissdrive, zu Blick. Die Organisation vereint alle Partner, die an Aus- und Weiterbildung von Verkehrsteilnehmern beteiligt sind. Darunter finden sich Fahrlehrer, Unfallspezialistinnen und Verkehrsinstruktoren.
«Das ist reine Symptombekämpfung»
Laut Menzis Einschätzung entstehen viele sogenannter «Drift-Unfälle» durch Unkenntnis: «Gelangen Unfälle mit hochmotorisierten Fahrzeugen an die Öffentlichkeit, wird schnell nach einem PS-Limit bei Neulenkern geschrien. Dies ist aber reine Symptombekämpfung.»
Der Experte sieht die Wurzel des Problems an einem anderen Ort. «Der Strassenverkehr mit all seinen Komponenten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten extrem entwickelt. Heutzutage rollen Autos mit enormer Power und anspruchsvollen Systemen über unsere Strassen», sagt er. Die Ausbildung habe sich in den letzten 40 Jahren aber kaum verändert. Insbesondere die Führerprüfung bewege sich seit Jahrzehnten ungefähr auf dem gleichen Niveau. «Das geht einfach nicht auf.»
Laut Swissdrive müsste man dringend bei der Ausbildung ansetzen. «Ich mache einem 18-jährigen Jungen keinen Vorwurf. Wenn du Fahren lernst, möchtest du am liebsten schnell durch die Prüfung kommen und loslegen.» Ein junger Autolenker wolle nicht «Autofahren lernen», er wolle die Prüfung hinter sich bringen. «Eigentlich müssten diese beiden Dinge das Gleiche bedeuten, tun sie aber bei der heute praktizierten Prüfungsanlage leider keinesfalls. Das Resultat dieser Praxis sehen wir in der hohen Zahl der Unfälle der Neulenker.» Viele wüssten aber gar nicht, wie die Systeme, die sie bedienen, überhaupt funktionieren und wozu 300–600 PS-starke Fahrzeuge in der Lage sind. «Bei der Ausbildung müsste man gezielt darauf setzen und auch die Physik der Fahrzeuge erklären.» Das würde aber laut Menzi viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, als es beim heutigen Ausbildungssystem der Fall ist.
«Dann hat das gar nichts gebracht»
Führe man ein PS-Limit ein, verlagere sich das Problem nur um ein paar Jahre. «Unter Umständen können sie die Autos dann immer noch nicht bedienen, denn die Kompetenz wurde ja nie richtig erlernt. Dann hat diese Massnahme gar nichts gebracht.»
Der politische Wille für die Erweiterung der Ausbildung sei jedoch relativ gering, so Menzi. Man setze eher auf eine sichere Infrastruktur der Strassen und eine weitere Automatisierung der Fahrzeuge als auf Ausbildung. Menzis Vorwurf: Die Politik sage immer, die Kosten für die Jungen sollten nicht noch mehr steigen. Dafür nehme man aber in Kauf, dass sich weiter so viele heftige Unfälle ereignen.
Fahrzeugstärke fliesst nicht in Statistik ein
Das Bundesamt für Strassen Astra teilt auf Anfrage mit, dass bei der Unfallstatistik zwischen den unterschiedlichen Transportarten unterschieden werde, also zwischen Personenwagen, Motorrädern und weiteren Fahrzeuggruppen. «Die Fahrzeugstärken fliessen jedoch nicht in die Unfallstatistik ein», erklärt Mediensprecher Thomas Rohrbach.
«Unsere Abteilungen beobachten das Unfallgeschehen auf Schweizer Strassen mit unterschiedlichen Fahrzeugen laufend. In den entsprechenden Analysen werten die Expertinnen und Experten Unfälle nach verschiedenen Merkmalen der Verunfallten bzw. der Unfälle aus», so Rohrbach weiter.
Eine erste Analyse weise betreffend Autofahrenden unter 25 mit stärkeren Fahrzeugen keinen Handlungsbedarf aus, heisst es weiter. Man beobachte die Entwicklung im Unfallgeschehen aber laufend. «Bei Bedarf werden die Analysen vertieft und Massnahmen daraus abgeleitet», antwortet Rohrbach.