Mindeststrafe von 1 Jahr für Raser soll aus Gesetz gestrichen werden – Raseropfer sind wütend
«Ein Witz, ein Skandal, eine Enttäuschung – einfach unverständlich!»

Raser sollen nicht mehr automatisch mit einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Das macht Raseropfer wütend. Im Blick sprechen Andrea Kolb (51), die bei einem Unfall ihr rechtes Bein verlor. Und Franziska Riedtmann (60), deren Tochter Carina (†15) totgefahren wurde.
Publiziert: 02.06.2022 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2022 um 13:14 Uhr
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Andrea Kolb im Juli 2017, als sie zwischenzeitlich ebenfalls auf einen Rollstuhl angewiesen war.
Foto: Blick
Ralph Donghi

Andrea Kolb (51) kann es nicht fassen. «Das ist ein riesiger Witz», sagt die Ostschweizerin zu Blick. «Mit solchen Entscheidungen wird es nie besser auf unseren Strassen!»

Sie meint damit den Ständerat, der nach dem Nationalrat nun ebenfalls gutgeheissen hat, dass unter anderem die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr für Raser aus dem Strassenverkehrsgesetz gestrichen wird. Neu sollen auch Geldstrafen ausgesprochen werden können. «Das ist ein Skandal», sagt die 51-Jährige weiter.

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Sie verlor ihr rechtes Bein

Kolb ist selber ein Opfer eines Raserunfalls. «Ich war am 24. August 2016 mit meinem Hund Anges in Mammern TG am Spazieren, als plötzlich ein BWM herangerast kam und mich über den Haufen fuhr», erinnert sie sich. Sie verlor dabei ihr rechtes Bein – und ihr rechter Arm wurde völlig zerfetzt. Die Lenkerin (19) fuhr einfach weiter.

Es kam aus: Die Autofahrerin hatte während der Fahrt auch noch SMS geschrieben. «Später wurde sie vor Gericht zu einer lächerlichen Busse von 1200 Franken und lediglich zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt», sagt Kolb. «Schon das war ein Skandal!»

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«Dank meinem Hund bin ich noch am Leben»

Sie selber sei heute noch am Leiden, erzählt Kolb. «Zurzeit bin ich gar im Rollstuhl, weil ich auf eine Operation warte, damit ich meine Prothese wieder mehr oder weniger schmerzfrei an meinen Stumpf montieren und einigermassen herumgehen kann.» Sie habe vieles in den letzten gut sechs Jahren erlebt – unter anderem, wie Versicherungen mit einem umgehen würden, wenn man kaum mehr arbeitsfähig sei. «Das ist heftig.»

Heute ist Kolb froh, dass sie weiterhin mit ihrem Hund Anges durchs Leben gehen kann. «Er erlitt beim Unfall ja selber Verletzungen», erzählt sie. Dennoch sei Anges mitten auf die Strasse gegangen und habe «sozusagen» den Verkehr aufgehalten. «Dank ihm bin ich noch am Leben!» Der Hund habe heute noch Angst vor dem Strassenverkehr.

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Die Raser «lachen sich ins Fäustchen»

Auf der Strasse sicher fühlen – das kann sich auch Andrea Kolb, die sich nach wie vor als Tierschützerin engagiert, nicht mehr. «Raser lachen sich nach solchen Entscheiden ins Fäustchen und tun es wieder», sagt sie. «Die Opfer und deren Angehörige sind teils für ihr ganzes Leben bestraft.»

Auch Franziska Riedtmann (60), deren Tochter Carina (†15) am 13. August 2003 im Aargau von einem Raser zu Tode gefahren wurde, ist «sehr enttäuscht» über den Entscheid der Politiker. «Das ist unverständlich.» Denn: Als damals das Raser-Gesetz in Kraft getreten sei, sei eine präventive Wirkung erreicht worden, die zu weniger schweren Unfällen geführt habe. So mancher sei davon abgehalten worden, riskante Fahrmanöver zu begehen und einen Ausweisentzug oder eine Haftstrafe zu riskieren.

Riedtmann weiter: «Wenn jemand mit 100 km/h durch ein Dorf brettert, so ist dies klarer Vorsatz und sollte mit ganzer Härte bestraft werden.» Sie findet: Die Politiker, die eine Lockerung fordern, sowie die Richter, die einen grösseren Ermessensspielraum wollen, «sollten sich selbst einmal fragen, wie es wäre, wenn das eigene Kind von einem Raser zu Tode gefahren würde».

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