Mitten in der Aargauer Provinz wurde es am Samstag laut. Zwischen 40 und 50 Klimademonstrantinnen und -demonstranten trafen sich am kleinen Bahnhof, direkt neben dem geplanten, temporären Reservekraftwerk in Birr AG. Sie demonstrierten friedlich gegen fossile Kraftwerke und für erneuerbare Energien.
Laut ausgerufene Parolen wie «Erdöllobbyiste, ab id Chischte!» oder auch «Gottfriedstutz, jetzt Klimaschutz» liessen die Birrer am Samstagnachmittag von ihren Sofas aufschrecken. Eine Truppe von mehr als 40 Personen fast aller Altersgruppen, Klimaschützerinnen, Erdölgegnerinnen und Anhänger der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion und auch des Klimastreiks Schweiz trafen am Samstagnachmittag per Zug in Birr AG ein und verschafften ihrem Anliegen lauthals Gehör. Ihre Forderung: Neue Notkraftwerke dürfen nicht in Betrieb genommen werden. Direkt am kleinen Bahnhof in Birr wird voraussichtlich schon im Februar 2023 ein solches ans Netz gehen. Acht mobile Turbinen sollen im Krisenfall mit Öl, Gas oder Wasserstoff Energie produzieren können.
Kritik an den Bundesrat
Dieses Vorhaben des Bundesrats, für das er mehrere Verordnungen ausser Kraft gesetzt hat, ist den Demonstrierenden ein Dorn im Auge. Anna Lindermeier (20), einer der führenden Köpfe des Klimastreiks Schweiz, führt die Demonstration mit anderen Gleichgesinnten an. Zu Blick sagt sie: «Wir fordern, dass eine soziale Energiekrisenpolitik gefahren wird. Statt Öl und Gas sollen die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden.» Dies sei auch angesichts der drohenden Stromkrise weiterhin der richtige Weg.
Insbesondere «der Fakt, dass der Bundesrat undemokratisch» handelte, als er den Bau der Kraftwerke durchpeitschte und unter Berufung auf das Gesetz der wirtschaftlichen Landesversorgung eine Hau-Ruck-Übung vollzog, stinkt den Aktivisten gewaltig.
Friedlicher, mehrheitsfähiger Protest
So brach der bunte Zug vom Bahnhof in Birr zu einer Runde einmal mitten durch das Wohngebiet auf. Parolen wurden skandiert, der Verkehr in der Gemeinde war teilweise gestört. Anwohner schauten neugierig von Balkonen, Menschen kamen aus ihren Häusern.
Während sich in anderen Teilen der Welt Demonstrierende an Gemälden festkleben und in Galerien Suppe umherwerfen, will Lindermeier einen anderen Weg einschlagen. «Wir möchten mehrheitsfähigen Protest betreiben. Aber klar, wir können uns hier auch noch am Baustellenzaun festkleben, wenn es sein muss», sagt die 20-Jährige und lacht.
Missbilligende Blicke in Birr
«Leute, mit denen wir geredet haben, waren uns wohlgesinnt und unterstützen unser Anliegen», sagt Lindermeier nach dem Umzug durch die 4000-Seelen-Gemeinde. Zugegeben, viele Birrerinnen und Birrer waren auch gar nicht auf der Strasse. Blick beobachtete dennoch andere Szenen. Missbilligende Blicke waren keine Seltenheit und ein Anwohner fragte einen Polizisten aufgebracht, ob die laute Masse auch hoffentlich mit dem Zug angereist sei. An Lärm dürften sich die Birrer übrigens bald ohnehin gewöhnen müssen. Im geplanten 470 Millionen Franken teuren Kraftwerk fehlen für einen Teil der Turbinen die Schalldämpfer. Eine Lärmschutzwand soll es richten.