Diese jungen Menschen sitzen nur auf der Anklagebank, weil sie sich für ein lebenswertes Leben zukünftiger Generationen einsetzen. Ihre Beweggründe sind nachvollziehbar und keinesfalls strafwürdig. Wir sollten uns alle ein Beispiel an ihnen nehmen und dankbar sein.»
Es war ein feuriges Plädoyer, das die Rechtsanwältin am Dienstag in Zürich hielt, um ihre Klienten zu verteidigen. Neun Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten standen vor Gericht, weil sie im Juli 2019 den Hauptsitz der Credit Suisse in Zürich blockiert und später Einsprache gegen ihren Strafbefehl erhoben hatten.
Ganz anders sah der Staatsanwalt die Aktion: Er bezeichnete sie als billige Effekthascherei. Die Beteiligten seien naiv, zu denken, damit liesse sich das Klima retten.
Blockade gegen klimaschädigende Investitionen
Nach eigener Aussage wollten die jungen Menschen mit ihrer Blockade auf klimaschädigende Investitionen der Banken aufmerksam machen. Bei ähnlichen Aktionen war es in der Vergangenheit auch schon zu Freisprüchen gekommen. Nicht so in Zürich: Obwohl der Einzelrichter Verständnis äusserte für das Anliegen der Beschuldigten, sprach er vorgestern Freitag alle der Nötigung und acht auch des Hausfriedensbruchs schuldig. Sie erhielten bedingte Geldstrafen von mehreren Hundert Franken.
Aufhalten lassen wollen sich die Klimaaktivisten davon aber nicht. In den sozialen Medien wandte sich der Klimastreik kurz nach der Urteilsverkündung an die Credit Suisse und schrieb: «Ihr habt es mit der letzten Generation zu tun, die die Klimakatastrophe abwenden kann. Wenn ihr glaubt, mit einem Gerichtsurteil eine Bewegung aufhalten zu können, dann liegt ihr falsch.»
Der rebellische Ton, das selbstbewusste Auftreten: Die Schweizer Klimabewegung hat die brave Kinderstube verlassen. Längst setzt sie nicht mehr ausschliesslich auf Demonstrationen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Man erinnere sich an die Bundesplatz-Besetzung letzten Herbst. An den gefälschten Banksy, den sie in ein Basler Museum schmuggelten. An Sitzstreiks, die den Verkehr aufhalten – oder eben die Banken-Blockaden. Bereits 2019 kündigten die Klimastreikenden an: Sollte es in Politik und Wirtschaft im Bereich Klimaschutz nicht vorwärtsgehen, würden sie «eskalieren».
Systemwandel gefordert
Dann kam die Pandemie – und viele ihrer Pläne waren vorerst auf Eis gelegt. Trotzdem: Hinter den Kulissen ging der Kampf fürs Klima weiter. Wurde entschiedener. Mittlerweile scheuen sich die Klimaaktivisten auch nicht mehr, öffentlich einen Systemwandel zu verlangen. Annika Lutzke (18) vom Klimastreik sagt: Die Schweiz verfehle «spektakulär» ihr Klimaziel. Es sei unverkennbar, dass so das Pariser Abkommen nicht eingehalten werde. «Von Anfang an war klar, dass wir, falls unsere Forderungen nicht im jetzigen System erfüllt werden können, einen Systemwandel fordern.»
In einer Medienmitteilung schreibt der Klimastreik denn auch, dass «grenzenloses Wirtschaftswachstum» und die damit verbundene Ausbeutung von Mensch und Natur, «aber auch das Patriarchat und der Imperialismus» Ursache der Klimakrise seien. Darum brauche es eine tiefgreifende Veränderung in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.
Als ob dieses Ziel nicht bereits gross genug wäre, haben es sich die Aktivistinnen und Aktivisten mittlerweile auch zur Mission gemacht, sich vielen anderen Problemen dieser Welt zu verschreiben – in ihrer Wortwahl und ihrem Auftreten sind denn auch immer wieder Ernüchterung, Wut und Verzweiflung über den Status quo spürbar. «Riesige Waldbrände, rassistische Polizeigewalt, Femizide, überfüllte Asyllager, unmenschliche Arbeitsbedingungen oder die Zerstörung der Ökosysteme und damit unserer Lebensgrundlagen: Die Krisen sind real und ihre Dringlichkeit erfordert sofortiges und radikales Handeln», halten sie in einer Mitteilung fest. Darum will der Klimastreik nun gemeinsam mit anderen sozialen Bewegungen für einen grossen Wandel kämpfen. «Wenn wir unsere Forderung nach Klimagerechtigkeit ernstnehmen, müssen wir soziale Kämpfe mit jenen für eine ökologische Gesellschaft verbinden», erklärte Aktivist Mattia De Lucia (20) unlängst an einer Pressekonferenz.
Wieder Klimastreik am Freitag
Kommenden Freitag wollen die Aktivistinnen ihre Anliegen auch wieder auf die Strasse bringen. Dann nämlich ruft der Klimastreik gemeinsam mit diversen Organisationen und Gewerkschaften wie dem Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD zum «Strike for Future» auf. Geplant sind schweizweit Aktionen wie Velodemos, Sitzstreiks, Infostände und Kundgebungen.
Angst davor, sich zu verzetteln oder Sympathien zu verlieren, haben die Aktivisten nicht. Indem man die verschiedenen Bewegungen verbinde, hole man sogar mehr Menschen ab, glaubt Annika Lutzke. So würden sich am «Strike for Future» auch Pflegerinnen, Betreuer, Gärtner oder Bauarbeiterinnen beteiligen.
Auch Greta Thunberg (18) äussert sich nicht nur zur Klimakrise. Diese Woche schrieb sie auf Twitter: «Niederschmetternd, den Entwicklungen in Jerusalem und Gaza zu folgen» und teilte einen Beitrag der Autorin Naomi Klein (51), die Israel darin «ein Kriegsverbrechen nach dem anderen» vorwarf. Es hagelte Kritik, weil Thunberg die Angriffe der Hamas nicht erwähnte und Klein als Anhängerin der umstrittenen BDS-Bewegung gilt, die Israel boykottieren will. Thunberg ruderte in der Folge zurück und twitterte: «Ich bin nicht gegen Israel oder Palästina. Ich bin gegen jede Form von Gewalt und Unterdrückung, gegen wen auch immer sie sich richtet.»
Auch Greta Thunberg (18) äussert sich nicht nur zur Klimakrise. Diese Woche schrieb sie auf Twitter: «Niederschmetternd, den Entwicklungen in Jerusalem und Gaza zu folgen» und teilte einen Beitrag der Autorin Naomi Klein (51), die Israel darin «ein Kriegsverbrechen nach dem anderen» vorwarf. Es hagelte Kritik, weil Thunberg die Angriffe der Hamas nicht erwähnte und Klein als Anhängerin der umstrittenen BDS-Bewegung gilt, die Israel boykottieren will. Thunberg ruderte in der Folge zurück und twitterte: «Ich bin nicht gegen Israel oder Palästina. Ich bin gegen jede Form von Gewalt und Unterdrückung, gegen wen auch immer sie sich richtet.»