Die Schattenseiten der Schweizer Armee
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Männerexperte über Militär-Probleme
«Die Armee ist ein Abbild der Gesellschaft»

In der Schweizer Armee sind Diskriminierung und sexualisierte Gewalt alltäglich. Männerexperte Markus Theunert (52) erklärt im Interview mit Blick die Hintergründe.
Publiziert: 06.04.2025 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 07.04.2025 um 15:16 Uhr
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Markus Theunert ist Psychologe und Experte für Männerfragen.
Foto: Karin Frautschi

Darum gehts

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Karin FrautschiReporterin Blick

Sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und Machtmissbrauch sind fester Bestandteil des Schweizer Militärs. Eine Armee-Studie zeigt: 90 Prozent der Frauen erleben im Militär sexualisierte Gewalt. Auch Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen ist stark verbreitet. Wie tief diese Probleme im Schweizer Militär verwurzelt sind, zeigen die Geschichten der Opfer, Fälle der Militärjustiz und Aussagen von Rekruten und Offizieren im Ausgang. Viele dieser Aussagen erschrecken. Männerpsychologe Markus Theunert (52) ordnet ein.

Blick: Herr Theunert, warum gibt es in der Schweizer Armee so viele Fälle von Diskriminierung und sexualisierter Gewalt?
Markus Theunert: Die Armee ist ein Abbild der Gesellschaft, wenn auch ein spezifisches. Je weniger gemischt eine Organisation ist, desto grösser ist die Gefahr, dass gewisse kulturelle Eigenheiten Raum einnehmen. Das Klima in der Armee ist stark aufgeladen. Die Männer orientieren sich an den Männlichkeitsnormen, die sich auf den Umgang untereinander abfärben. Feinheit und Sensibilität sind nicht gefragt, sondern Ruppigkeit und Härte. Das wiederum ist der Nährboden für Gewalt und Übergriffe jeglicher Art.

Der Männerexperte

2005 gründete Psychologe Markus Theunert (52) männer.ch, einen Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen, die sich dafür engagieren, dass Männer den Gleichstellungsprozess nicht verschlafen – oder dabei vergessen gehen. 2012 war Theunert der erste staatliche Männerbeauftragte im deutschen Sprachraum.

Männerpsychologe Markus Theunert.
Karin Frautschi

2005 gründete Psychologe Markus Theunert (52) männer.ch, einen Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen, die sich dafür engagieren, dass Männer den Gleichstellungsprozess nicht verschlafen – oder dabei vergessen gehen. 2012 war Theunert der erste staatliche Männerbeauftragte im deutschen Sprachraum.

Neun von zehn Frauen erleben in der Armee sexualisierte Gewalt. Was läuft im Militär falsch?
In der Geschichte der Gesellschaft wurden die Frauen häufig als Objekte angeschaut. Bis vor wenigen Jahrzehnten hatten sie nur wenig Rechte. Dieses Verhalten der Männer ist trotz aller Veränderungen nach wie vor Teil unserer Kultur. Männern wird der Irrglaube vermittelt, dass ihnen weibliche Zuwendung zusteht. Sie denken, sie dürfen Ansprüche auf den weiblichen Körper geltend machen – oder sich nehmen, was sie wollen.

Warum ist der Hass gegenüber homosexuellen Menschen im Militär so stark verbreitet?
Die Armee ist ein spezieller Raum. Die Männer sind sehr nah aufeinander und sollen kameradschaftlich verbunden sein. Sie sollen sich umeinander kümmern und Aufmerksamkeit schenken, damit das Teamgefüge funktioniert. Gleichzeitig dürfen sie aber auf keinen Fall irgendwelche Zärtlichkeit oder sogar sexuelle Impulse gegenüber Männern verspüren, da dies als besonders «unmännlich» gilt. Diese Gratwanderung schaffen die meisten nur, indem sie Homosexualität aggressiv abwehren und abwerten.

Armee-Studie «Diskriminierung und sexualisierter Gewalt»

Die Schweizer Armee veröffentlichte Ende Oktober 2024 eine erste Studie zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt. 1126 Armeeangehörige nahmen daran teil, davon ⅓ Männer und ⅔ Frauen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Neun von zehn Frauen werden im Militärdienst Opfer von sexualisierter Gewalt. Rund die Hälfte aller Befragten gab an, Diskriminierung im Militär erlebt zu haben. Laut der Studie vor allem Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung, Migrationshintergrund, Rassismus, Sprache oder Körper.

Die Schweizer Armee veröffentlichte Ende Oktober 2024 eine erste Studie zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt. 1126 Armeeangehörige nahmen daran teil, davon ⅓ Männer und ⅔ Frauen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Neun von zehn Frauen werden im Militärdienst Opfer von sexualisierter Gewalt. Rund die Hälfte aller Befragten gab an, Diskriminierung im Militär erlebt zu haben. Laut der Studie vor allem Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung, Migrationshintergrund, Rassismus, Sprache oder Körper.

Warum tun sich viele Männer schwer damit, Verantwortung für ihr übergriffiges Verhalten zu übernehmen?
Männer sind in unserer Gesellschaft nach wie vor das privilegierte Geschlecht. Viele Männer finden es deshalb total empörend, wenn ihr Verhalten kritisch eingeschätzt wird oder sie sogar darauf hingewiesen werden, dass ein Übergriff stattgefunden habe und eine Entschuldigung anstehe. Das braucht eine kritische Auseinandersetzung mit sich selbst, um sehen zu können: Was ist schiefgelaufen? Wieso ist das verletzend? Wieso ist das eine Form von Gewalt? Nicht alle Männer sind in der Lage oder willens, diese Auseinandersetzung zu führen.

Armee-Angehörige berichten, dass sich in den vergangenen Jahren bereits einiges zum Guten verändert habe. Ist die jüngere Gesellschaft sensibler?
Ich warne davor, das Gefühl zu haben, dass sich diese Probleme mit der Zeit von allein auswachsen. Untersuchungen zeigen, dass sich in der jüngeren Männergeneration in Bezug auf Geschlechterfragen ein deutlicher Rückschritt abzeichnet. Das heisst: Die alten Vorstellungen sind wieder auf dem Vormarsch. Insofern erwarte ich eher, dass diese Problematik in naher Zukunft wieder an Dramatik gewinnt.

Wie kann die Schweizer Armee diese Probleme nachhaltig lösen?
Wir müssen als Gesellschaft Fortschritte machen und uns mit unseren patriarchalen Wurzeln auseinandersetzen. Nur so können wir das Gewaltproblem in der Gesellschaft lösen. Und die Armee ist als Teilbereich der Gesellschaft genauso gefordert, das zu tun.

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