Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) betont in einer Stellungnahme vom Freitag, dass auch eine indirekte Impfpflicht das Prinzip der Wahlfreiheit beim Impfen untergrabe und deshalb nicht gerechtfertigt sei. Zur Freiheit gehört laut Ethikkommission das Recht, sich den Risiken einer Ansteckung auszusetzen.
Die NEK fordert deshalb, dass am 3G-Prinzip, das geimpfte, genesene und negativ getestete Personen einschliesst, festgehalten wird. Dieses Prinzip sei verhältnismässiger und deutlich besser gerechtfertigt als eine Beschränkung des Zugangs allein auf geimpfte und genesene Personen.
Abschaffung der Gratistests «problematisch»
Keine Aussagen macht die Kommission in ihrer Stellungnahme zur Frage der Ungleichbehandlung von Impfung und Test bei den Kosten. Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dass ab dem 1. Oktober die Testkosten für das Covid-Zertifikat bei asymptomatischen Personen nicht mehr wie bisher vom Bund übernommen werden. Die NEK äussere sich im Moment nicht dazu, sagt Jean-Daniel Strub von der Geschäftsstelle auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
In einem Interview des «Tages-Anzeigers» bezeichnet NEK-Präsidentin Andrea Büchler die Abschaffung der Gratistests indes als «problematisch», wenn gleichzeitig die Zertifikatspflicht ausgeweitet werde. «Wenn die Tests eine reale Alternative zur Impfung darstellen sollen, dann müssen sie für alle zugänglich sein.» Insbesondere für finanziell schlechter gestellte Menschen müsse der Zugang gewährleistet sein.
Zeitliche Beschränkung wichtig
Wichtig sei, so Büchler, dass die Zertifikatspflicht zeitlich beschränkt bleibe und regelmässig evaluiert werde. Zur Absicherung der eingeführten Lockerungen sei die Zertifikatspflicht verhältnismässig.
Nach Meinung der NEK wird zwar der Grundsatz der Eigenverantwortung immer wichtiger, gerade wenn es darum geht, Erkrankungsrisiken einzugehen. Die gesellschaftliche Solidarität bleibe aber ein entscheidender Faktor bei der erfolgreichen Bewältigung des Coronavirus und für den langfristigen Umgang damit, heisst es in der Stellungnahme weiter.
Niederschwelliger Zugang zur Impfung
Das Ziel einer höheren Impf-Quote müsse mit anderen Massnahmen erreicht werden, etwa «durch proaktive und angemessene Information und niederschwelligen Zugang für bildungsferne Bevölkerungsgruppen».
Zugleich sei zu beachten, dass der Fokus auf das Impfen nicht von der Aufgabe ablenken dürfe, weiter in wirksame und einfach zugängliche Behandlungen von Covid-19-Erkrankungen zu investieren. (SDA)