Es ist ein Wunsch, der nicht in Erfüllung geht: Die Pfadi möchte multikultureller werden. Schon im Jahr 2014 gingen Vertreter von Kantonalverbänden mit einem Aufruf an die Presse. Damals erhofften sie sich, so dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken. Heute, im Jahr des gigantischen Bundeslagers im Goms VS, geht es mit den Anmeldungen wieder aufwärts. Doch auch die neuen Pfadis stammen hauptsächlich aus Mittelstandsfamilien ohne Migrationshintergrund.
In der Schweiz gehen Kinder und Jugendliche oft in die Pfadi, weil andere Familienmitglieder bereits dabei sind oder dabei waren, sagt Eléonore de Planta, Leiterin «Programm & Internationales» beim Verband Pfadibewegung Schweiz. «Eltern mit Migrationshintergrund haben oft kein Interesse, ihren Nachwuchs in die Pfadi zu schicken.»
Woran liegt es? Einer, der es wissen muss, ist Yves Arigbabu (22) alias Anubis. Der Sohn einer Schweizerin und eines Nigerianers ist Leiter der Abteilung Morea in Zürich Oerlikon und Seebach. Als Secondo gehört der Pädagogikstudent selbst in der Pfadi dieser beiden multikulturellen Quartiere zur Minderheit. Kindern mit Migrationshintergrund könnte die Pfadi eigentlich Spass machen, ist er überzeugt. «Doch ihre Eltern können nicht nachvollziehen, dass man so viel Zeit in eine Tätigkeit investiert, die aus ihrer Sicht keine Aussicht auf eine Karriere bietet.»
Beim Fussball lockt die Profi-Karriere
Arigbabu hat das bei seinem eigenen Vater erlebt, einem Ingenieur. Als er nach Europa kam, musste er sich hocharbeiten, weil sein Universitätsabschluss hier nicht anerkannt war. «Er hat viel in seinen gesellschaftlichen Aufstieg investiert und konnte es nicht verstehen, dass ich jeden Samstag an Übungen verbrachte und in jedes Lager gegangen bin, anstatt fürs Gymnasium zu lernen.»
Diese Haltung beobachtet Arigbabu auch in seinem Umfeld bei Eltern von Kindern und Jugendlichen aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Sie schicken den Sohn lieber ins Fussballtraining, weil dann die Hoffnung besteht, dass er sozial aufsteigt und eines Tages als Profi Geld verdienen kann. «Bei der Pfadi kann man höchstens Leiterin oder Leiter werden. Das ist Freiwilligenarbeit.»
Um Menschen aus anderen Kulturen die Pfadi näherzubringen, bietet der Verband mittlerweile Informationsbroschüren in 17 Sprachen an. Seit 2016 ermutigte er im Rahmen des Projekts «Pfasyl» zudem Kinder und Jugendliche in Asylzentren, die Pfadi zu besuchen, mit der Hoffnung, dass sie später einer Pfadigruppe beitreten. Auch dort blieb der Erfolg bisher aus. Allerdings hat es in diesem Fall nichts mit den Eltern zu tun.
«Nicht schon wieder!»
Das zeigt sich am Beispiel von Omid Jafari (22) alias Grimsel. Der Afghane kam mit knapp 17 Jahren allein vom Iran in die Schweiz und besuchte kurz darauf mit 18 jugendlichen Asylbewerbern ein Pfadilager. Er ist der Einzige, der heute noch dabei ist – und zwar als Leiter in der Abteilung Bubenberg.
Wenn er seinen Kollegen erzähle, dass er in der Pfadi wandere oder im Zelt übernachte, werde er schräg angeschaut, sagt der gelernte Landschaftsgärtner in einem Bericht der «NZZ am Sonntag». Blick erklärt er, warum: «Wer eine Flucht hinter sich hat, der hat für einen Moment genug vom Wandern und Zelten.» Er selbst war zwei Monate unterwegs. Tagsüber schlief er im Freien, nachts lief er. «Nicht schon wieder!», habe er gedacht, als er in die Pfadi kam.
Um Schweizer Leiter für Traumata zu sensibilisieren, passen manche Pfadiabteilungen ihre Ausbildungslehrgänge an. Es sei wichtig, kulturelle Gegebenheiten zu kennen, sagt Eléonore de Planta vom Verband. Bei Flüchtlingen, die übers Meer fuhren, sei zum Beispiel der Kontakt mit Wasser vorbelastet. «Wenn die Pfadileiterinnen und -leiter diese Aspekte kennen, können sie stressige Situationen vermeiden.»