Auf einen Blick
- Bayerischer Verfassungsschutz analysiert russische Desinformationskampagne
- «Weltwoche» wird mit Moskaus Propaganda-Operation in Verbindung gebracht
- Staatsschützer sprechen von «inhaltlichen Missverständnissen»
Das Startzeichen kam direkt aus der Moskauer Machtzentrale: Im Frühjahr 2022 nickten Kreml-Strategen Russlands bisher umfangreichste Desinformationskampagne ab. Seither fluten Trollnetzwerke Europa mit Propaganda gegen die Ukraine.
Dem Bayerischen Verfassungsschutz ist es nun gelungen, neue Erkenntnisse über die Vorgehensweise von Putins Online-Armee zu gewinnen. In einem Bericht zeichnen die Staatsschützer aufgrund einer technischen Analyse nach, wie Moskau die Webseiten angesehener Medien imitierte – des «Spiegels» etwa oder der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» – und auf diesem Weg falsche Informationen über die Ukraine und die Nato streute.
«Weltwoche»-Chef schwärmte von Putins Chefhetzer
Parallel dazu verbreiteten Tausende von zentral gesteuerten Profilen Beiträge in sozialen Medien, die laut bayerischem Nachrichtendienst «ins russische Narrativ passen». Der Bericht, den der Verfassungsschutz kürzlich auf seiner Internetplattform aufschaltete, nennt mehrere Medien namentlich. Neben rechtsextremen Seiten und Blogs aus dem Verschwörermilieu gehören auch die «Berliner Zeitung» und die Schweizer «Weltwoche» dazu.
Gegenüber Blick konkretisiert ein Sprecher des Verfassungsschutzes diesen Vorwurf: «Es wurde festgestellt, dass durch den verantwortlichen Akteur hinter der Kampagne in signifikantem Umfang Artikel von weltwoche.de weiterverbreitet wurden.» Der Bericht untermauert dies mit einem prominent platzierten Screenshot der «Weltwoche»-Seite.
Tatsächlich verbreitet das Blatt von Roger Köppel seit Russlands Angriff auf die Ukraine immer wieder plumpe Putin-Propaganda. Vor etwas mehr als einem Jahr besuchte der ehemalige SVP-Nationalrat Moskau und traf dort Wladimir Solowjow, den Chefhetzer des russischen Machthabers, der eine Atombombe auf London werfen will, der Schweiz mit Invasion droht – und dafür mit Sanktionen belegt wurde. Köppel aber schwärmte: Solowjow sei «blitzgescheit», «lustig», «Russlands Woody Allen». Im vergangenen Juli war der «Weltwoche»-Chef schliesslich im Kreml selbst zu Gast – als Hofjournalist des ungarischen Autokraten Viktor Orban.
Köppel distanziert sich von Propaganda-Aktionen
Dass die «Weltwoche» jetzt in einem Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes auftaucht, passt dem Verleger und Chefredaktor Köppel gar nicht: «Wie andere Medien auch haben wir keinen Einfluss darauf, wer unsere Texte aus welchen Motiven weiterverbreitet.» Die «Weltwoche» habe mit «sogenannten Propaganda-Aktionen» nichts zu tun. Man beleuchte Themen von allen Seiten, «unvoreingenommen und unabhängig».
Putin-Propaganda in der Schweiz
In der Tat ist das Vorgehen der bayerischen Staatsschützer heikel. Sie bringen die «Weltwoche» direkt mit Moskaus Propaganda-Operation in Verbindung, obwohl Köppel und seine Mannschaft kaum einen Einfluss darauf haben, welche Artikel die russischen Trollfabriken verbreiten.
«Inhaltliche Missverständnisse»
Auf erneute Nachfrage von Blick spricht der bayerische Verfassungsschutz denn auch von «inhaltlichen Missverständnissen». Man habe deshalb «strukturelle Anpassungen» am Bericht vorgenommen. Reagiert haben dürften die Verfassungsschützer auch deshalb, weil andere in ihrem Bericht erwähnte Webseiten mit juristischen Klagen gedroht haben.
In der überarbeiteten Version heisst es nun: «Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz unterstellt explizit nicht, dass die Verantwortlichen der hier aufgelisteten Webseiten russische Propaganda verbreiten oder in Kenntnis darüber sind beziehungsweise es gutheissen, dass ihre Inhalte im Rahmen der Kampagne weiterverbreitet werden.»
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