Er hätte eine Chance gehabt, den Krebs zu besiegen, weiterzuleben, doch die SLKK verweigerte die Therapie für Karl Riebli-Föhn (†82) aus Hergiswil NW. Die Zürcher Krankenkasse wollte die Kosten partout nicht übernehmen – obwohl sie es müsste. Denn die Kymriah-Therapie ist Teil der Grundversicherung. Doch die SLKK ging lieber vor Gericht. Und das kostete den 82-Jährigen zuerst Zeit und dann das Leben.
Er starb einen Tag vor dem Urteil des Bundesgerichts, das ihm recht gab.
Wie kann so was passieren? Die Kasse begründete die Ablehnung damit, dass die WZW-Kriterien nicht erfüllt seien. Demnach muss eine Behandlung wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.
«Krankenkasse sollte Kunden Vorfinanzierung anbieten»
Der Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly vom Vergleichsdienst Comparis sagt zu Blick: «Das ist ein krasser Fall. Passieren kann so etwas, weil die Krankenkassen derartig teure Behandlungen mit Erfolgschancen um die 50 Prozent bezahlen müssen. Auf Zeit zu spielen geht gar nicht, wenn es um Leben oder Tod geht.»
Wenn eine Krankenkasse in einem solchen Fall vor Gericht gehe, «sollte sie dem todkranken Kunden mindestens anbieten, die Kosten vorzufinanzieren, wenn der Kunde die Finanzierung übernimmt, falls das Gericht für die Kasse entscheiden sollte», sagt der Experte.
Es sei allerdings auch so, dass der Grundversicherte nicht immer automatisch mit der Finanzierung rechnen könne. «Auch wenn eine Behandlung wie Kymriah eine Pflichtleistung ist, bedeutet das nicht, dass diese in jedem Einzelfall bezahlt werden muss.» Die durch die Vertrauensärzte der Kassen erarbeiteten Richtlinien sollen eine Gleichbehandlung aller Versicherten in vergleichbaren Situationen gewährleisten. Dort sehe er jedoch noch Optimierungspotenzial.
BAG habe «sicher zu spät gehandelt»
Der Sohn des Verstorbenen, Armin Riebli (52), kritisiert nicht nur die Kasse, sondern auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieses hätte als Aufsichtsorgan nichts unternommen. Das BAG dagegen bestreitet die Vorwürfe. Es habe interveniert und ein aufsichtsrechtliches Verfahren eingeleitet. Die Untersuchung sei aber noch nicht abgeschlossen.
Der Comparis-Experte sagt, das BAG habe in diesem Fall «sicher zu spät gehandelt». Das Amt mache zwar Audits bei den Kassen, «was dort beanstandet wird und ob die beanstandeten Kassen ihre Fehler rasch genug korrigieren, erfährt die Öffentlichkeit nicht».
Wie sich später herausstellte, war Riebli-Föhn nicht der Einzige, dem die SLKK die gleiche Therapie verweigert hatte. Der andere Patient konnte sich die Therapie aber auch ohne die Kasse leisten und lebt nun weiter. Felix Schneuwly kennt sogar noch einen dritten, ähnlichen Fall.
Ist die SLKK einfach ein schwarzes Schaf unter den Kassen? «Solange das BAG hier keine Transparenz schafft, kann ich das nur vermuten, aber weder bestätigen noch dementieren», sagt Schneuwly.
«BAG muss mehr Transparenz schaffen»
Er sieht jedoch die Behörden in der Pflicht, genau diese Transparenz zu schaffen. «Das BAG muss dafür sorgen, dass jede Krankenkasse das Gesetz gleich anwendet. Ob das BAG tatsächlich genug tut, um die Gleichbehandlung aller Versicherten zu gewährleisten, egal, bei welcher Kasse sie versichert sind, wage ich zu bezweifeln.»
Das Parlament und der Bundesrat würden immer mehr Paragrafen schaffen, die aber nur die «Bürokratie- und Gerichtskosten in die Höhe treiben» würden. «Ich begreife nicht, dass das BAG zwar zusammen mit dem Departementschef Bundesrat Berset jährlich eine Medienkonferenz über die Prämien des nächsten Jahres durchführt, aber keine über die Aufsichtstätigkeit. Das wäre sehr wichtig, um das Vertrauen der Bevölkerung in ein funktionierendes System zu stärken», betont Schneuwly.
«Es gibt Ungleichbehandlung in der Schweiz»
Seiner Meinung nach geht die Regulierung in die falsche Richtung. «Ohne Anwalt haben Versicherte kaum noch Chancen, zu ihrem Recht zu kommen. Das Krankenversicherungsgesetz muss wieder vereinfacht werden. Im Gegenzug muss das BAG die Kompetenz bekommen, Krankenkassen, Ärzte, Spitäler etc., die sich wiederholt nicht ans Gesetz halten, auszuschliessen.»
Auch Daniel Tapernoux von der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO) fordert die Behörden zum Handeln auf. «Es gibt eine Ungleichbehandlung in der Schweiz. Gemäss unserer Erfahrung lehnen eher kleine und günstige Krankenkassen Medikamente und Therapien ab. Hier müssten die zuständigen Behörden endlich etwas unternehmen», sagt er zu Blick.
Zur SLKK könne er nichts speziell sagen. Aufgrund der nicht hohen Zahl von Meldungen, die das SPO erreichen würden, könnte sie keine statistischen Auswertungen für die jeweiligen Krankenkassen durchführen.
«Wir bedauern den Tod von Herrn Riebli»
Der Krankenkassenverband Santésuisse, bei dem die SLKK Mitglied ist, tut der tragische Fall leid. «Wir bedauern den Tod von Herrn Riebli sehr und können den Schmerz der Angehörigen sehr gut nachvollziehen. Ihnen gebührt unser aufrichtiges Beileid», sagt Santésuisse-Sprecher Michael Müller zu Blick.
Gleichzeitig betont er, dass die Beurteilung jedes einzelnen Falls und der damit verbundenen Umstände der Verantwortung des jeweiligen Krankenversicherers obliege. «Anhand dieser Einschätzung trifft der Krankenversicherer dann seine Entscheide. Dieses Vorgehen hat der Bund so festgelegt», so Müller.
Die SLKK selber will sich trotz mehrmaliger Anfragen von Blick nicht zum Fall äussern.