Schweizer kaufen teure Kaffeemaschinen wie noch nie
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Boom wegen Corona:Teure Kaffeemaschinen so beliebt wie noch nie

Kaffeetrinker haben im Corona-Jahr aufgerüstet
Schweizer kaufen teure Kaffeemaschinen wie noch nie

Seit einem Jahr finden bei vielen von uns die Kafipausen daheim statt. Deshalb werden Kaffeemaschinen und Bohnen immer beliebter.
Publiziert: 31.05.2021 um 09:31 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2021 um 10:53 Uhr
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In der Zuriga-Manufaktur in Zürich läuft die Maschinenproduktion auf Hochtouren. Seit September gibt es auch ein neues Modell – mit Milchschäumer.
Foto: Siggi Bucher
Alexandra Fitz

In Schweizer Küchen wurde aufgerüstet. Aufgerüstet im Kaffeewesen. Dort, wo vorher eine Nespresso-Maschine stand oder eine Bialetti, thront immer öfter ein verchromtes Designprodukt mit allerlei Hebeln und Knöpfen. Eine hochwertige Siebträgermaschine, wie man sie aus Cafés kennt, wo Baristi Espressi zubereiten und aus geschäumter Milch Schwäne auf Cappuccini künstlern. Die Nachfrage rund um Kaffee ist im letzten Jahr stark gestiegen. Das merken Hersteller, Händler und Röstereien. Bei der Zürcher Espressomaschinen-Marke Zuriga spricht man gar von einer noch nie da gewesenen Nachfrage. Diese Entwicklung hat auch mit Corona zu tun.

Viele arbeiten seit einem Jahr zu Hause. Sie haben sich nicht nur ein halbes Büro in den eigenen vier Wänden installiert, sondern verbringen auch die Kafipausen daheim. Kaffee trinken in der Firma war neben dem Genuss auch ein willkommener Zeitvertreib, in dem man wieder einmal aufstehen und seinen Gedanken nachhängen konnte. Und vor allem: einen Schwatz mit den Mitarbeitern hielt. Zu Hause ist man jetzt zwar meist allein, aber die Pause mit Koffein will man trotzdem nicht missen. Schliesslich schenkt eine Tasse Kaffee Geborgenheit und bringt Routine in den Alltag. Vielen reicht nun die Brühe, die vorher reichte, nicht mehr.

Umweltbewusst und beste Resultate

«Die Leute haben mehr Zeit und beschäftigen sich deshalb vermehrt mit der Zubereitung und den Bohnen. Sie wollen Qualität, sind experimentierfreudig und erfreuen sich am Handwerk», sagt Evelyn Schneider, Mitinhaberin von Adrianos, dem Berner Kaffeespezialisten. Einen Anstieg habe man vor allem bei den zwei Hausmaschinen gemerkt, die mit nachhaltigen Pads aus Vlies befüllt werden. Pads enthalten bereits eine Einmalportion gemahlenen Kaffee. Sowie bei Siebträgermaschinen diverser Marken. Die Rede ist meist von Halbautomaten, bei denen man mit abnehmbarem Siebträger arbeitet und für die Zubereitung von Espresso oder Getränken auf Espresso-Basis verwendet.

Solch hochwertige Maschinen sind Investitionen, die meist bei über 1500 Franken starten. ECM, Rocket, Lelit, La Pavoni, Olympia, Sage, Quick Mill, Zuriga. Die Liste ist lang und das Interesse an diesen Halbautomaten wird immer grösser. Der Absatz von Kapselmaschinen ist rückläufig. Der Kunde will umweltbewussteren Kaffee und beste Resultate. Mit dem abnehmbaren Siebträger, der mit Kaffeepulver gefüllt wird, reguliert und optimiert man viele Faktoren manuell – Einstellung des Mahlgrads, Menge und Festigkeit des Kaffeepulvers, Brühdauer, Wassertemperatur und Druck. Wer sich eine Siebträgermaschine kauft, muss sich zwangsläufig mit der Welt des Kaffees auseinandersetzen. Nur schon das Aufheizen am Morgen braucht deutlich mehr Zeit.

Minimalismus aus der Schweiz

Weniger lange zum Warmwerden benötigt die Maschine der Marke Zuriga. Zwei Minuten, dann kann es losgehen. Die im Verhältnis eher schlichte Maschine, von der Mitarbeiterin auch «pragmatisch» genannt, besitzt lediglich zwei Knöpfe, Temperatur und Druck sind voreingestellt. Die Firma erlebt gerade einen riesigen Boom. Das hat mit Covid zu tun und mit einem neuen Produkt.

Zusätzlich zum ersten Modell gibt es seit September eine neue Version mit Milchschäumer. Auf dieses wartet man derzeit fünf Monate, erzählt Gründer Moritz Güttinger in seiner Manufaktur in Zürich. «Wer heute bestellt, wird im November eine bekommen», sagt der 37-Jährige. Die 2015 gegründete Firma wächst nun rasant. Es wurde eine zweite Produktionsstrasse installiert, derzeit bauen drei Frauen und zwei Männer Maschinen zusammen, vor Corona war es nur ein Monteur. «Wir setzen gerade alle Hebel in Bewegung, dass wir in Zukunft schneller liefern können», sagt der Gründer.

Beim Haushaltsgerätehersteller Solis zeigt sich dieser Trend anhand eines Anstiegs um 77 Prozent im Espressomaschinen-Geschäft, wenn man das erste Quartal von 2020 mit dem von 2021 vergleicht. Manche wollen die gestiegene Nachfrage gar nicht laut kommunizieren: Ein Zürcher Geschäft, das Maschinen und diverse Kaffeesorten führt, spricht von einem «schönen Wachstum». Konkret: 20 Prozent mehr Nachfrage in den letzten zwölf Monaten. Dem Besitzer ist aber lieber, wenn sein Name nicht erwähnt wird. Man würde schon ohne Medienpräsenz mit den Kapazitäten kämpfen. Bezeichnend.

Für viele ist der Wechsel zu einer teureren Kaffeemaschine auch die Abkehr von den Kapselsystemen, wie Sami Perzhaku von der Kaffeezentrale in Uster ZH sagt: «Die Leute wollen besseren Geschmack und kein Alu mehr.» Seiner Meinung nach hatten die Leute zusätzlich zur gewonnenen Zeit, sich mit Siebträgermaschinen zu beschäftigen, auch mehr Geld. Im ersten Lockdown sei man weder ins Restaurant noch in die Ferien gegangen. Sein Fazit: Man konnte sich eine vernünftige Kaffeemaschine leisten.

Bei der Kaffeezentrale boomte der Onlinehandel, das Geschäft blieb wie viele andere eine Zeit lang geschlossen. Beliebt seien die Marken ECM und Rocket. Aber auch die Bohnen-Nachfrage hat stark zugenommen. Das berichten diverse Schweizer Röstereien. Perzhaku präzisiert: Die, die sich auf private Kunden spezialisiert haben, profitierten. Die, die vor allem Restaurants oder Büros beliefern, wie etwa Chicco d’Oro, hatten es schwerer.

Wenn der Kafi plötzlich daheim am besten schmeckt

Während sich der Kaffeekonsum nach Hause verschoben hat, blieben die Maschinen der Gastronomen vorwiegend kalt. Andreas Samuel Zenger, Präsident von Procafé, der Vereinigung zur Förderung des Kaffeekonsums, spricht von gravierenden Auswirkungen. 2020 wurden 20 Prozent weniger abgesetzt. Und er prophezeit: «2021 werden es wegen des zweiten Lockdowns mindestens 40 oder sogar 50 Prozent sein. Der Konsum habe sich in die Haushalte verschoben. Die verbrauchte Menge sei leicht angestiegen. 2020 wurden in der Schweiz 70'250 Tonnen Kaffee konsumiert. Dies entspricht einem Pro-Kopf-Verbrauch von 9,2 Kilogramm. «Damit ist der Konsum in der Schweiz an die Weltspitze gestossen, nur die skandinavischen Länder konsumieren ähnlich viel», sagt Zenger.

Wer sich mit Kaffeebohnen und Röstgraden beschäftigt und sich von Fachleuten Maschinen erklären lässt, merkt schnell: Kaffee wird immer mehr zu dem, was Wein schon lange ist. Ein Genussprodukt, zu dem jeder eine Meinung hat – und jeder eine etwas andere.

Wenn die Qualität zu Hause immer besser ist, wird die Folge sein, dass die Ansprüche an einen Kaffee im Restaurant höher sind und keiner mehr für eine schlechte Tasse einen Fünfliber hinlegt. Und im Büro wird man sich nicht mit x-beliebigen Automaten zufriedengeben. Schon jetzt fordern Mitarbeiter von ihren Unternehmen besseren Kaffee. Corona wird vielleicht einen Wendepunkt in der Kaffeekultur schaffen. Sonst sagen die Mitarbeiter in Zukunft plötzlich: «Ich geh schnell heim, Kafipause machen!»

Zahlen und Fakten rund um den Kaffee

Zahlen und Fakten rund um Kaffee


180'000 Tonnen Rohkaffee wurde im Jahr 2020 importiert. Die Menge hat in den letzten Jahren stark zugenommen (2016: 139'000 Tonnen, 2019: 165'000 Tonnen). Vergangenes Jahr wurde gemäss Procafé so viel importiert, weil viele Händler und Röster auf steigende Preise reagierten und befürchteten, dass die Versorgung aus den Kaffeeländern wegen Covid stark gestört würde.

9,2 Kilogramm Kaffee pro Kopf im Jahr. Die Schweizer lagen schon immer weit vorne. «Jetzt sind wir aber an die Weltspitze gestossen. Nur skandinavische Länder konsumieren mehr. Seit 2000 hat der Konsum hierzulande um 14 Prozent zugenommen – global sogar um 80 Prozent», weiss Branchenkenner Andreas Samuel Zenger, Präsident von Procafé.

39 Prozent aus Brasilien. Das südamerikanische Land produziert am meisten Kaffee für den Weltmarkt. Auch die Schweiz importiert am meisten aus Brasilien. Der Schweizer Kaffeemarkt hat einen grossen Stellenwert, weil der grösste Teil des weltweiten Handels mit Rohkaffee über die Schweiz abgewickelt wird (zirka 70 Prozent).

«Kaffee dehydriert nicht, sonst wäre ich schon Staub», wie Franz Kafka gesagt haben soll. Lange Zeit unterstützte die Wissenschaft die These, dass Kaffee zum Flüssigkeitsverlust beitragen würde. Neuere Studien zeichnen allerdings ein anderes Bild. Auch bei Betrachtung eines längeren Zeitraums mit wiederholtem Kaffeegenuss scheint der Flüssigkeitshaushalt des Körpers nicht beeinträchtigt zu sein.

Kaffee ist eine Kirsche. Richtig – an Kaffeebäumen oder Büschen wachsen rote Kirschfrüchte. Die eigentliche Kaffeebohne ist der Samen, der sich in der Kirsche befindet. Wenn die Kaffeebohne nicht so begehrenswert und geschmackvoll wäre, dann könnte man die Kaffeekirsche vielleicht als ganze Frucht im Obstladen kaufen, denn sie ist eine leckere herb-süsse Kirsche, die ein wenig an den Geschmack von Honig, Pfirsich und Wassermelone erinnert.

Siggi Bucher

Zahlen und Fakten rund um Kaffee


180'000 Tonnen Rohkaffee wurde im Jahr 2020 importiert. Die Menge hat in den letzten Jahren stark zugenommen (2016: 139'000 Tonnen, 2019: 165'000 Tonnen). Vergangenes Jahr wurde gemäss Procafé so viel importiert, weil viele Händler und Röster auf steigende Preise reagierten und befürchteten, dass die Versorgung aus den Kaffeeländern wegen Covid stark gestört würde.

9,2 Kilogramm Kaffee pro Kopf im Jahr. Die Schweizer lagen schon immer weit vorne. «Jetzt sind wir aber an die Weltspitze gestossen. Nur skandinavische Länder konsumieren mehr. Seit 2000 hat der Konsum hierzulande um 14 Prozent zugenommen – global sogar um 80 Prozent», weiss Branchenkenner Andreas Samuel Zenger, Präsident von Procafé.

39 Prozent aus Brasilien. Das südamerikanische Land produziert am meisten Kaffee für den Weltmarkt. Auch die Schweiz importiert am meisten aus Brasilien. Der Schweizer Kaffeemarkt hat einen grossen Stellenwert, weil der grösste Teil des weltweiten Handels mit Rohkaffee über die Schweiz abgewickelt wird (zirka 70 Prozent).

«Kaffee dehydriert nicht, sonst wäre ich schon Staub», wie Franz Kafka gesagt haben soll. Lange Zeit unterstützte die Wissenschaft die These, dass Kaffee zum Flüssigkeitsverlust beitragen würde. Neuere Studien zeichnen allerdings ein anderes Bild. Auch bei Betrachtung eines längeren Zeitraums mit wiederholtem Kaffeegenuss scheint der Flüssigkeitshaushalt des Körpers nicht beeinträchtigt zu sein.

Kaffee ist eine Kirsche. Richtig – an Kaffeebäumen oder Büschen wachsen rote Kirschfrüchte. Die eigentliche Kaffeebohne ist der Samen, der sich in der Kirsche befindet. Wenn die Kaffeebohne nicht so begehrenswert und geschmackvoll wäre, dann könnte man die Kaffeekirsche vielleicht als ganze Frucht im Obstladen kaufen, denn sie ist eine leckere herb-süsse Kirsche, die ein wenig an den Geschmack von Honig, Pfirsich und Wassermelone erinnert.

Wie gesund ist Kaffee?

Kaffee am Morgen, und der Tag ist gerettet – so geht es zumindest den meisten Schweizerinnen und Schweizern. Manche Menschen können fünf Tassen Kaffee trinken und schlafen trotzdem gut, anderen raubt schon eine kleine Tasse den Schlaf. Grund dafür ist offenbar eine unterschiedliche Koffein-Sensibilität.

Eine Frau mit der Kaffee-Tasse
Kaffee enthält viele Stoffe, die die Gesundheit beeinflussen können.
Thinkstock

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Latte Macchiato in Gläsern auf dem Tisch im Cafe.
Dafür sind Latte Macchiatos & Co. immer beliebter.
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