«Drogen helfen uns, dem Alltag zu entfliehen», sagt Julia M.* (17) aus der Schweiz. Sie hat sich im Rausch mit erweiterten Pupillen gefilmt, nachdem sie Ecstasy genommen hatte. In ihrer Generation wird der Konsum von Rauschmitteln im Internet glorifiziert. Auf Tiktok laden Minderjährige kurze Clips hoch, auf denen sie high sind oder Drogen konsumieren. Ein Bericht aus Deutschland zeigt, wie Jugendliche über die Videoplattform an Kokain, MDMA, Speed oder Pilze kommen.
«Tiktok macht vieles zum Trend», sagt M., «von Drogen über Selbstverletzung bis hin zu psychischen Krankheiten.» Für viele sei es ein Hilferuf, wenn sie ihren Konsum teilten. «Meine Generation fühlt sich nicht verstanden und nicht akzeptiert. Die Probleme in der Schule oder im Familien- und Freundeskreis werden mit Drogen kompensiert», so die junge Frau. «Es wird auf Tiktok gepostet, um anderen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.»
Einfluss der Pandemie
Viele Jugendliche aus ihrem Umfeld seien unglücklich und unzufrieden mit ihrer Ausbildung. «Wir entwickeln uns zu jungen Erwachsenen, die kaum Freude haben am Beruf», sagt sie. «Häufig sind nicht die Drogen an sich attraktiv, sondern das Gefühl, von all dem wegzukommen.» Corona habe die Situation noch schwieriger gemacht, da die Jugendlichen viel mehr Zeit zu Hause und somit am Handy verbracht hätten.
Auf den Zusammenhang zwischen der Pandemie und der psychischen Belastung bei Minderjährigen weist auch Markus Meury (52), Mediensprecher und Experte bei «Sucht Schweiz», hin: «Teenager haben in dieser Zeit besonders gelitten. Es gibt Anzeichen, dass ein kleiner Teil von ihnen vermehrt zu Substanzen greift, um sich zuzudröhnen», sagt er. «Mit Rausch fällt man auf, deshalb nutzen einige Jugendliche Tiktok zur Inszenierung.»
Teenagern geht es sehr schlecht
Gemäss «Sucht Schweiz» gibt es heute insgesamt mehr vulnerable Jugendliche, weil das Einsamkeitsgefühl während der vergangenen zwei Jahre zugenommen hat und der Austausch im Freundeskreis schwieriger war. Diverse Studien zeigen, dass es insbesondere den Jugendlichen wegen der Pandemie bis heute mental sehr schlecht geht.
Diese vulnerablen Jugendlichen sind laut Meury stärker gefährdet, mit Drogen in Kontakt zu kommen. «Jugendliche, die zu Hause wenig Unterstützung erhalten oder deren Eltern wenig über die Aktivitäten ihrer Kids Bescheid wissen, konsumieren auch mehr», sagt er. «Wenn Teenager die Aufmerksamkeit im echten Leben nicht bekommen, ist das Risiko grösser, dass sie sie in den sozialen Medien suchen.»
Es seien in Wirklichkeit aber nur Einzelne, die sich auf Tiktok derart exponieren und sich im Drogenrausch zeigen würden. «Ich vermute, dass es meistens Jugendliche aus Gruppen sind, die sowieso schon konsumieren», so Meury.
Was die Eltern tun können
Eine aktive Erziehung und Begleitung sei zentral, um Kinder vor dem Drogenkonsum zu schützen. Dazu gehöre eine von Kindheit an aufgebaute Vertrauensbeziehung. «Eltern haben mehr Einfluss auf ihre Jugendlichen, als sie denken», sagt Meury. Es sei wichtig, mit den Kindern über das Thema zu diskutieren und gemeinsame Regeln aufzustellen.
«Ausserdem hilft es enorm, wenn die Eltern Bescheid wissen, was die Jugendlichen in ihrer Freizeit tun», so der Experte. Der Freundeskreis sei einer der wichtigsten Faktoren, ob Kinder konsumieren oder nicht. Sollten sie sich in einem heiklen Umfeld bewegen, sei es an den Eltern, gemeinsam mit den Kindern alternative und gesündere Freizeitaktivitäten zu finden.
* Name geändert