Die Anklageschrift gegen einen Portugiesen (41) ist lang: Vergewaltigung, Pornografie, sexuelle Nötigung, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie schwere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz lauten die Vorwürfe. Seit Jahren wartet der Fall beim Regionalgericht Biel-Seeland auf das Verfahren. Doch der Beschuldigte verschwand einfach.
Für die ihm vorgeworfenen Taten kann der Portugiese nicht mehr belangt werden, denn sie sind verjährt, schreibt die «BernerZeitung». Die Behörden konnten seinen Aufenthaltsort nicht ausfindig machen. Auch war er im Fahndungssystem Ripol ausgeschrieben – eine entsprechende Suche blieb allerdings erfolglos.
«Nach Prüfung der Akten» wurde das Verfahren nun vom Regionalgericht Berner Jura-Seeland eingestellt. Der Grund: Die mutmasslich verübten Delikte sind nach 15 Jahren verjährt. Nicht einmal der Anwalt hat noch Kontakt zum Untergetauchten. Dass das Verfahren noch offen war, erfuhr er lediglich durch die Mitteilung des Gerichts zur Verfahrenseinstellung.
Angeklagter hat Anspruch auf 12'100 Franken
Doch es kommt noch kurioser: Der Portugiese hat einen Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Denn 2008 sass der Angeklagte vier Monate in Untersuchungshaft. Der Kanton Bern schuldet ihm also für jeden Tag, den er hinter Gittern verbrachte, 100 Franken Genugtuung – insgesamt 12’100 Franken plus Zinsen. Auch die Verfahrenskosten von rund 8500 Franken muss der Kanton übernehmen.
Damit er das Geld bekommt, muss sich der Portugiese allerdings bei der Kanzlei des Gerichts in Biel melden, mit gültigen Papieren und einem Ausweis. Zehn Jahre Zeit hat er noch, dann verjährt auch die Frist für Genugtuungszahlungen. Gleichzeitig hat der Kanton Bern 90'000 Franken bei dem Beschuldigten beschlagnahmt. Woher das Geld kommt, ist nicht ganz klar. Wird in den nächsten fünf Jahren kein Anspruch geltend gemacht, fliesst es in die Kantonskasse. (jwg)
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