Wer erhält eine Chance, in einem Bett auf der Intensivstation um sein Leben kämpfen zu dürfen? Wer erhält die beste ärztliche Hilfe, die zeitintensivste Pflege, die teuren Medikamente und einen Platz an einem Beatmungsgerät? Und wer soll abgewiesen und mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Tod überlassen werden?
Wenn die Intensivstationen der Schweiz aufgrund der vielen Corona-Patienten demnächst komplett voll sein sollten, werden Ärzte vielleicht bald diese schwierige Triage machen müssen. Ein Szenario, das die Entscheidungsträger in diesem Land um jeden Preis verhindern wollen. Denn die Ansteckungs-Zahlen steigen nach wie vor – und eine Trendwende scheint noch in weiter Ferne.
Brotz: «Auf den Punkt gebracht, was Politikern nicht gelingt»
In der SRF-Talksendung Arena zum Thema «Corona – Hört das denn nie auf?» diskutierten deshalb am Freitagabend die geladenen Gäste über die Corona-Massnahmen, die es nun braucht, um die fünfte Welle zu brechen. Aus dem Spital kurz zugeschaltet war auch Martin Balmer, Leiter Pflege in der Klinik für Intensivmedizin im Kantonsspital Aarau.
In zwei Sätzen fast er in Worte, was derzeit vielen Sorgen bereitet. «Wie haben davon gesprochen, dass die Zertifikatspflicht die Gesellschaft spaltet. Was ich befürchte, ist, dass wenn wir Triage-Entscheidungen treffen müssen, dass das die Gesellschaft spaltet», sagt Balmer.
Für die weisen Worte bedankte sich im Nachgang Moderator Sandro Brotz beim obersten Intensiv-Pfleger. «In 12 Sekunden auf den Punkt gebracht, was Politikern und Bundesräten in dieser Corona-Krise nicht wirklich gelingt. Danke, Martin Balmer, dass Sie sich die Zeit genommen haben.»
Triage-Entscheide werden schon heute gefällt
Auf der Aarauer Intensivstation sind alle 20 Betten belegt, erzählt Martin Balmer vor seiner Station stehend. «Hier hinter uns kämpfen Menschen um ihr Leben.» Von diesen sei keiner geimpft gewesen.
Die Belegungs-Situation sei derzeit bereits prekär. Martin Balmer schildert: «Das Personal ist fokussiert, aber auch sehr angespannt. Wir laufen in die Situation hinein, dass wir Triage-Entscheide treffen müssen. Wir sind jetzt schon so weit: wir mussten die letzte Woche immer wieder externe Covid-Patienten aus anderen Kantonen ablehnen. Und in den anderen Kantonen sieht es auch nicht besser aus. Das macht uns Mühe.»
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal ob Pflege oder Ärzte, hätten hohen Respekt oder gar Angst davor, Triage-Entscheide treffen zu müssen, so Balmer. Es gehe nicht nur um ein Papier oder einen Nachweis, es gehe darum, dass Menschen, die Eltern, Partner oder Kinder haben, bei einer Triage vielleicht unnötigerweise ihr Leben verlieren würden.
Es mache aber auch wütend und hilflos, dass man nach fast zwei Jahren Pandemie noch nicht weiter sei. Ihm als Intensivstation-Pfleger bereite es grosse Mühe, wenn er höre, die Lage sei ja nicht so ernst oder Corona sei gar ein Fake. (ct)
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