In Lugano lernen Wirte, Ex-Banker und Flüchtlinge das Pizzaiolo-Handwerk
Was eine Pizza mit Mathe zu tun hat

Seit über 22 Jahren bietet Gastroticino einen professionellen Pizzabäcker-Kurs an. Jetzt ist das kantonale Diplom sogar von der Eidgenossenschaft anerkannt. Eine Chance auch für Quereinsteiger.
Publiziert: 21.02.2022 um 20:16 Uhr
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Erst wird im Pizzaiolo-Kurs von Gastroticino die Theorie gebüffelt, dann geht es ans Teigkneten, ans Garnieren mit Tomatensauce und Käse und schliesslich ans Backen.
Foto: © Ti-Press
Myrte Müller

Professionell Pizza backen heisst auch Schulbank drücken. Francesco Massotti (38) sitzt in der ersten Reihe. Der Süditaliener wirft mit Zahlen um sich. Ein Prozentsatz hier, ein Prozentsatz dort. Addieren. Durch drei teilen. Abwiegen. Temperatur messen. «Ich habe es verstanden», ruft Francesco in die Runde. Lehrer Giovanni Zinna (56) mahnt: «Wenn ihr die Formeln einhaltet, dann wird die Pizza auch was.»

Im Herbst 2021 begann der Kurs zum Pizzaiolo. Einmal die Woche acht Stunden Unterricht. Jeden Montag ist Pizzatime in der Via Gemmo 11 in Lugano. Zwölf Schüler hören den Pizzameistern zu, machen sich Notizen. Erst kommt die trockene Theorie, dann die ersehnte Praxis. Ende Mai, nach 24 Lektionen, endet der Kurs im kantonalen Abschlussexamen. Seit diesem Jahr ist das Diplom auch schweizweit anerkannt.

Vom Rentner bis zum syrischen Flüchtling

Knapp 20 Jahre steht Francesco schon am Pizzaofen. «Ich habe die Rezepte von der Nonna übernommen», erzählt der Italiener aus Salerno. «Jetzt lerne ich, warum genau meine Pizza so wird, wie sie ist.» Doch nicht nur die Wissenschaft der Pizza treibt den Pizzaiolo in die Aula von Gastroticino in Lugano-Breganzona TI. «Seit kurzem bin ich in der Schweiz und nun Mitbesitzer einer Pizzeria.» Da könne ein Schweizer Diplom nicht schaden.

Nicht alle sind Profis in der Klasse von Pizzalehrer Giovanni Zinna. Da ist der Rentner Victor. Der syrische Flüchtling Najer. Mohamed, der ägyptische Konditor aus Mailand (I). Sogar der Zürcher Ex-Banker Alex Grob (38) knetet fleissig mit.

Portugiesin Ana ist die einzige Frau im Kurs

Dieser hatte seinen alten Job satt. «Es gefiel mir nicht, anderer Leute Geld zu vermehren. Jetzt lerne ich die hohe Kunst des Pizzabackens», sagt der Quereinsteiger. Zum Garen und Gären gehörten auch Mathematik, Chemie und Physik, erklärt der Pizzafan. Auch Alex büffelt nicht nur «just for fun». «Ich habe da eine Geschäftsidee. Darin spielt auch die Pizza eine Rolle. Mehr möchte ich nicht verraten», sagt der angehende Pizzaiolo geheimnisvoll.

Hinter ihm hat Ana Bogana (44) Platz genommen. Die gebürtige Portugiesin ist die einzige Frau im Kurs. «Ich habe vor einem Jahr in Castaneda, im Bündner Calancatal das Restaurant Croce übernommen», erzählt die zierliche Frau. «Darin steht ein Pizzaofen.» Den will die gelernte Küchenchefin bald anwerfen. «Ich koche, putze, bediene die Gäste. Jetzt backe ich auch die Pizza», sagt Ana voller Tatendrang.

Selbst gemachte Margherita zum Zmittag

Kurz vor der Mittagspause geht es an die Küchenecke der Aula. Francesco ist in seinem Element. Jetzt fliegen Teig und Mehl. Mit einer Pizzaschaufel schiebt der flinke Italiener die runden Fladen in den glühenden Ofen. Mohamed und Alex versuchen ihr Glück beim Hefeteigdrehen, Najer verteilt Tomatensauce und Käse. Glücklich werden die Margheritas vorgeführt und zum Zmittag verdrückt.

Seit 20 Jahren bietet Gastroticino eine Ausbildung zum Pizzaiolo. Über 150 Interessenten haben insgesamt daran teilgenommen. «Auf die Abschlussfeier freue ich mich immer ganz besonders», sagt Gabriele Beltrami (59). «Unsere Schüler sind meist sehr stolz auf das Diplom.» Schliesslich, so der Direktor, «ist es das einzige in der Schweiz, das von der Eidgenossenschaft anerkannt wird».

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