Schon wieder sind die Spitäler am Anschlag. Schon wieder sind die Pfleger überfordert. Schon wieder müssen Operationen verschoben werden, um Platz für Corona-Patienten zu schaffen. Waren am 1. August noch weniger als fünf Prozent aller Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt, sind es unterdessen fast 30 Prozent.
Trotzdem ist die aktuelle Welle nicht mit derjenigen vom letzten Herbst zu vergleichen. Kamen damals vor allem Alte und Menschen mit Vorerkrankungen ins Spital, sind es seit der Sommerferienzeit deutlich mehr eigentlich Gesunde zwischen 40 und 59 Jahren. Fast alle sind ungeimpft.
Viele Hospitalisierte waren in Kosovo und Nordmazedonien in den Ferien
Auffällig auch: Rund 40 Prozent der Hospitalisierten waren zuvor im Ausland – viele auf dem Balkan. Mehr als ein Drittel gibt zum Zeitpunkt der möglichen Ansteckung als Aufenthaltsort ein Land in Südosteuropa an, wie die Corona-Taskforce des Bundes mitteilt. Meist sind dies Kosovo oder Nordmazedonien.
Verwunderlich ist das nicht. Die Infektionszahlen sind dort höher als in der Schweiz, die Impfquote ist deutlich tiefer. Lediglich 11,4 Prozent (Kosovo) respektive 24,2 Prozent (Nordmazedonien) der Bevölkerung sind vollständig geimpft. In Albanien sind es 20 Prozent, in Serbien immerhin 40 Prozent. Trotzdem: Das ist deutlich tiefer als in der Schweiz (über 50 Prozent) oder in unseren Nachbarländern, die nahe bei 60 Prozent sind. Dementsprechend ist auch das Risiko, sich in den Balkanländern anzustecken, deutlich höher. Warum ist das so?
Skepsis gegenüber dem Staat
«Die Skepsis gegenüber dem Staat, beispielsweise beim Impfen, ist dort aus historischen Gründen viel grösser», sagt Lars Haefner, Präsident der Gesellschaft Schweiz-Albanien. Der Staat habe daher Mühe, eine breite Kampagne zu lancieren und viele Leute zur Impfung zu motivieren.
Doch das Problem liegt nicht nur in einer fehlenden Aufklärung in den Heimatstaaten. Auch in der Schweiz sind viele Migranten ungeimpft. Im Kanton Basel-Stadt etwa ist die Impfquote bei Ausländern nur halb so hoch wie bei der einheimischen Bevölkerung. Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern, sagt: «Uns riefen Ärzte und Spitäler an. Sie wiesen uns darauf hin, wie wenig informiert einige ihrer ausländischen Patienten seien.»
Die bisherige Impfstrategie holt Migranten nicht ab
Deutlich wird Florim Cuculi, Co-Chefarzt Kardiologie am Kantonsspital Luzern. Es sei der Schweiz nicht gelungen, mit ihrer Impfkampagne die Migranten abzuholen. «Wir müssen da mehr Energie investieren, kreativer sein.»
Eine Idee dazu hat Fana Asefaw, stellvertretende Chefärztin des Zentrums für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Impfungen müssten dort angeboten werden, wo die Menschen sind, sagt sie. Bei ihren Landsleuten seien dies oft Asyl- und Durchgangsheime, Asefaw kommt aus Eritrea. Doch nur die Impfungen dorthin zu bringen, reiche noch nicht, warnt Asefaw: «Viele Eritreer lassen sich nicht spritzen, das ist kulturell bedingt.»
Vertrauenspersonen aber könnten dabei unterstützen, Vorurteile abzubauen. Personen aus dem eigenen Umfeld etwa oder angesehene Experten, mit denen sich die Migranten identifizieren können.
Um dabei zu helfen, rufen im Blick nun Ärztinnen und Ärzte mit Migrationshintergrund in ihrer Sprache ihre Landsleute zum Impfen auf. Damit die Impfquote steigt und weniger Menschen im Spital landen.
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