Nach den Sommerferien kommt es an vielen Schweizer Schulen zu einer Häufung von Corona-Fällen. An einer Schule in Malans GR etwa wurden 230 Personen einzeln getestet – fast jede vierte davon mit positivem Resultat. Nach Angaben des Kantons handelt es sich vorwiegend um Ferienrückkehrende.
Laut Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health an der Universität Zürich, wäre es wichtig, an den Schulen mit einem passenden Massnahmenpaket auf die hohen Infektionszahlen in der Schweiz zu reagieren. Wie Puhan gegenüber der «Aargauer Zeitung» erklärt, kämen dafür etwa eine Maskenpflicht, Reihentests oder die Überwachung der Luftqualität in Frage.
Im Januar hat der Epidemiologe für die Corona-Taskforce des Bundes ein Papier zur Wirksamkeit verschiedener Massnahmen an den Schulen mitverfasst. Zur Situation nach den Sommerferien sagt Puhan: «Ich würde in den ersten Wochen regelmässig testen, sicher zweimal wöchentlich.» Dann müsse man konsequent lüften. Dabei würden CO2-Messgeräte helfen, die auf schlechte Luftqualität hinweisen, so der Epidemiologe. «Man muss sich zudem überlegen, inwieweit sich momentan Klassen mischen sollen.» Ganz wichtig sei zudem, zu kommunizieren, dass kranke Schüler zu Hause bleiben müssen.
Zwei Prozent der infizierten Kinder haben Long Covid
An vielen Schulen ist die Maskenpflicht inzwischen gefallen. In Schaffhausen wurde sie ab Sekundarstufe jedoch bereits nach der ersten Schulwoche wieder eingeführt. Aus Sicht von Puhan sollten andere dem Beispiel folgen. «In der jetzigen Phase würde ich an Schulen, an denen nicht regelmässig getestet wird, auf Masken setzen – und zwar ab der vierten Klasse.» Der Epidemiologe betont, ein Verfechter offener Schulen zu sein. Es sei weniger «disruptiv, eine Maske zu tragen als Klassen in Quarantäne schicken zu müssen».
Puhan: «Vielerorts ist das Paket nicht ausreichend, weil es nicht zur aktuellen Situation passt. Die Unsicherheit ist gross. Mehr Massnahmen wären sicher gut.» Obwohl die Zahlen zu den Spitaleinlieferungen bei Jungen tiefer sind als bei anderen Altersgruppen, sei es noch zu früh, um definitiv beantworten zu können, wie gefährlich die Delta-Variante für Kinder ist. «Wir wissen, dass zwei Prozent von ihnen von – meist milde verlaufendem – Long Covid betroffen sind. Das klingt nach wenig, aber es geht schnell einmal um 5000 bis 10'000 Kinder schweizweit, wenn man die Anzahl Kinder mit einer Infektion berücksichtigt.» Zudem dürfe man nicht vergessen, dass die Kinder das Virus nach Hause zu unter Umständen ungeimpften Personen tragen können.
«Kraftakt» bei der Impfkampagne
Hinsichtlich der Impfkampagne betont Puhan, es sei für den Staat «enorm wichtig, nahe bei den Leuten zu sein, wenn es um gesundheitliche Fragen wie eine Impfung geht». Nur so könne man erklären und zu einem Entscheid für oder gegen eine Impfung beitragen. «Offensichtlich ist das nicht überall gelungen», sagt Puhan mit Blick auf den Bevölkerungsteil mit Migrationshintergrund. «Hier braucht es nun einen Kraftakt.»
Puhan macht sich überdies für einen verstärkten Einsatz des Corona-Zertifikats stark. «Wir haben das Zertifikat, also sollten wir es auch einsetzen, wo die Infektionsgefahr erhöht ist. Das gilt vor allem für Innenräume, in denen man sich länger aufhält. Zum Beispiel Restaurants.» Laut dem Epidemiologen sollte man zudem darüber nachdenken, den Getestet-Status für einen kürzeren Zeitraum zu vergeben, um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen. (noo)