«Im Stich gelassen»
Schweizer Bauern in Angst wegen Blauzungenvirus – keine Impfung, keine Hilfe

Plötzlich gibt es immer mehr kranke Tiere auf Schweizer Bauernhöfen. Das Blauzungenvirus macht Landwirten Angst. Die Landwirte fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen.
Publiziert: 06.10.2024 um 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2024 um 10:11 Uhr
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In der Schweiz macht gerade das Blauzungenvirus die Runde. (Archivbild)
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Blauzungenvirus auf dem Vormarsch in der Schweiz
  • Drei Impfstoffe existieren, jedoch nicht in der Schweiz zugelassen
  • 670 Betriebe betroffen, Tendenz steigend
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

«Seit Tagen haben von den insgesamt 50 Tieren zwei Kühe stark entzündete, teils eiternde Klauensäume, andere haben Verkrustungen am Nasenspiegel und Nasenausfluss», sagt Milchbauer Peter Trachsel zur «Bauern Zeitung». Insgesamt hat er 15 kranke Tiere. Die Diagnose: Blauzungenvirus (BTV).

Der Aargauer Landwirt ist damit nicht allein. Zurzeit ist das Virus in der Schweiz auf dem Vormarsch. Die Fälle haben sich in kurzer Zeit verdoppelt. 670 Betriebe sind betroffen. Tendenz steigend. Die Blauzungenkrankheit ist eine meldepflichtige Tierseuche. Der Erreger ist für Menschen nicht gefährlich. Auch Fleisch und Milchprodukte können ohne Bedenken konsumiert werden.

Impfstoffe in der Schweiz nicht zugelassen

Die Blauzungenkrankheit wird über kleine Mücken (Gnitzen) verbreitet. Die Infektion kann besonders bei Schafen schwere Symptome bei den Tieren verursachen. Dazu gehören Fieber, Entzündungen der Schleimhäute, Ödeme und Lahmheit. Bei Rindern verläuft laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Krankheit oft milder, aber auch sie könnten teilweise starke Symptome und einen Rückgang der Milchleistung zeigen.

Es gibt zwar drei Impfstoffe, doch diese sind nicht in der Schweiz zugelassen. Und auch sonst fühlen sich viele Landwirte von den Behörden nicht ernst genommen. Eine Liste mit Empfehlungen, wie die Bauern bei Infektionen vorgehen sollen, gibt es zwar, doch sie ist veraltet. Zuletzt aktualisiert wurde sie im Jahr 2008. Das BLV erklärt auf Anfrage der «Bauern Zeitung», dass die Liste aber derzeit überarbeitet werde.

Epidemie in Deutschland konnte beobachtet werden

Ein schwacher Trost für die betroffenen Betriebe. Viele Bauern machen sich Sorgen. «Ich fühle mich im Stich gelassen. Was, wenn ich morgen ein positives Resultat erhalte?», offenbaren Rinderbesitzer gegenüber der «Bauern Zeitung».

Auch, weil abzusehen war, dass das Virus die Schweiz in diesem Ausmass treffen wird. Im Oktober 2023 wurde die erste Infektion in Deutschland bei einer Schafhaltung bestätigt. Seitdem grassiert die Blauzungenkrankheit – und wie. Wurden vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, im Juni noch 13 betroffene Tierhaltungen deutschlandweit erfasst, waren es im Juli schon mehr als 1200. Und allein bis zum 23. August wurden bereits mehr als 4800 betroffene Betriebe gemeldet.

Ende August wurde dann in der Schweiz zum ersten Mal, bei zwei Schafen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kanton Jura und bei einem Schaf im Kanton Solothurn nachgewiesen. Im Kanton Waadt hatte es ein Rind erwischt.

Tiere vollständig vor Mücken zu schützen, ist kaum möglich

Die Blauzungenkrankheit wurde 2007 erstmals in der Schweiz festgestellt. Damals war jedoch die Variante Serotyp 8 (BTV-8) in Umlauf. Zwischen 2008 und 2010 führte die Schweiz ein umfassendes Impfprogramm durch. Dieses Mal ist es aber BTV-3, das für Aufsehen sorgt.

Das Problem für die Bauern: Tiere vollständig vor Mücken zu schützen, ist kaum möglich. Mückennetze und physische Barrieren können aber die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass Mücken die Tiere stechen und das Virus verbreiten. Der Einsatz von Insektiziden kann zusätzlich helfen, die Anzahl der Mücken in der Umgebung der Tiere zu reduzieren. Zudem wird empfohlen, stehendes Wasser zu entfernen, da dies ein idealer Brutplatz für Mücken ist.

In der Schweiz wurde wegen der Infektionen eine Blauzungenkrankheits-Zone eingerichtet. Damit bleibt der Tierverkehr im Inland ohne Einschränkungen möglich, wie das BLV Ende August mitteilte. Doch der Export in Länder ohne Fälle von Blauzungenkrankheit ist nur noch mit Auflagen möglich. Davon betroffen sind auch Samen, Eizellen und Embryonen.

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