Auf einen Blick
- Immobilien-Krieg zwischen Bäuerin und Bauer eskaliert wegen Stromrechnung
- Lebenslanges Wohnrecht und Kaufrechtsvertrag führen zu Dauerkonflikt
- Offene Stromrechnungen von über 28'732 Franken verursachen Stromabschaltung
Die betagte Bäuerin Marie Koch (77) ist mit den Nerven völlig am Ende. Seit Jahren herrscht zwischen ihr und Bauer Janik B.* ein Immobilien-Krieg – vor den Luzerner Gerichten, aber auch zu Hause. Besonders schlimm: Sie wohnen an der gleichen Adresse, sie im Hochparterre, er im ersten Stock. Es gibt fast keine Ausweichmöglichkeit. Die letzte Eskalation: Der Energieanbieter musste den Strom abstellen.
Die unendlich stressige Konstellation ist durch einen Kaufrechtsvertrag von 2017 entstanden. Marie Koch ist auch acht Jahre später noch immer im Grundbuch eingetragen, Besitzer aber ist nach den Gerichten der ehemalige Gehilfe Janik B. Ebenfalls im Vertrag fixiert: Marie Koch hat ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Bauernhof.
Bis vor Bundesgericht
Die Bäuerin erkrankte kurz vor Weihnachten 2016. Die Grossmutter von Janik B. habe ihr in der Zeit Essen gebracht und auch beim Äpfelsammeln geholfen, erzählt Marie Koch. «Da hat sie gesagt, dass ihr Enkel gern auf dem Hof helfen möchte. Er half mir beim Holzen.»
Nur wenige Monate später, am 11. Februar 2017, legte ihr der Anwalt von Janiks Familie den Verkaufsrechtsvertrag vor. «Sie versprachen mir, dass ich weiterbauern kann und Janik nur macht, was ich sage. Zudem würde ich gepflegt und versorgt werden. Alles falsche Versprechen.» Das sieht Käufer Janik B. ganz anders. Es sei alles mit rechten Dingen abgelaufen. Das Bundesgericht sah weder eine eingeschränkte Handlungsfähigkeit noch eine Übervorteilung gegeben, und auch eine Notlage habe nicht vorgelegen. Der Vertrag ist gültig.
Heute reden sie nicht mehr miteinander, es kommt täglich zu Reibereien. Kommuniziert wird nur noch über die Anwälte. Marie Koch will den Hof nicht mehr abgeben. Auch Jungbauer B. denkt nicht daran, vom Kauf zurückzutreten. Er hat mittlerweile auch viel Geld in die Renovation investiert. Bauernhof und Anwesen sind heute weit über eine Million Franken wert. Bezahlt hatte er damals 213'000 Franken, das entsprach gerade mal der Hypothek auf den Hof.
Offene Rechnungen für Strom
Jetzt eskalierte der Streit wieder, dieses Mal wegen der Stromrechnung. Dem Stromanbieter wurde es zu bunt, er stellte kurzerhand den Strom ab. Und das kam so: Bei Marie Koch haben sich offene Stromrechnungen von über 28'732 Franken angehäuft. Bezahlen kann und will sie sie nicht, denn nicht sie habe den Strom verbraucht, sondern der Bauer, sagt sie zu Blick. Zu ihr kommen die Rechnungen, weil sie weiterhin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist.
Ultimatum
Vergangenen Dezember schliesslich schickt die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW) ein Ultimatum: Entweder bezahlt Marie Koch die seit 2019 aufgelaufenen Schulden, oder der Stecker wird gezogen. Am 13. Januar schliesslich machte es klick, die Lichter gingen aus. Nach einem Protest des Bauern bei der Geschäftsleitung des Stromanbieters floss der Strom jedoch wieder. Wie und wann die Rechnungen bezahlt werden, bleibt ungewiss. CKW bestätigte auf Anfrage den Streit. Bis der Rechtsstreit entschieden ist, wartet der Stromanbieter mit weiteren Massnahmen.
Symptomatisch für den Streit in Rengg LU: Beide Parteien sehen die Schuld beim anderen – und können es belegen. Marie Koch sagt: «Ich habe mehrfach verlangt, dass getrennte Stromzähler installiert werden. Als der Stromanbieter kam, um das zu erledigen, hat der Vater des Bauern die Monteure vom Hof gejagt. Er will mich mit den hohen Rechnungen ruinieren.» Bauer Janik B. sagt hingegen: «Sie ist schuld. Nachdem ich den Hof gekauft hatte, bestellte ich die Rechnungen zu mir. Doch sie ging zur CKW und meldete den Hof wieder auf sich an.» Die Geschäftsleitung der CKW bestätigte auf Anfrage von Blick sowohl die Aussagen von Marie Koch als auch die des Bauern.
Letzter Streit vor Gericht
Wie es im Stromstreit weitergeht, hängt vom Ausgang des Kampfs vor Gericht ab. Ein letztes Verfahren ist zwischen dem Bauern und der Bäuerin noch hängig. Marie Koch hat Einsprache gegen die Handänderung im Grundbuch deponiert. In erster Instanz hat sie bereits verloren. Sie hat das Urteil an das Obergericht weitergezogen. Ob auf die Beschwerde überhaupt eingetreten wird, ist noch unsicher. Marie Koch muss 70'000 Franken als Gerichtsvorschuss bezahlen, sonst wird das Urteil des Bezirksgerichts Willisau rechtsgültig, und Janik B. kommt anstelle von Marie Koch ins Grundbuch.
Der Dauerstreit mit ihrem unmittelbaren Nachbarn nagt an der Gesundheit der Rentnerin. Ihr Hausarzt hat in einem Attest festgehalten, dass der Liegenschaftskrieg bei seiner Patientin eine schwere psychosoziale Belastung sei und einen gefährlich hohen Blutdruck auslöse. «Bleiben die Spannungen bestehen», schreibt er, «kann es für Herz und Hirn gefährlich werden. Aus hausärztlicher Sicht wäre eine Auflösung des Streits dringend.»
Nicht nur gesundheitlich, auch finanziell ist Marie Koch am Ende. Einerseits hat sie keine Einkünfte aus dem Betrieb, der Bauer bezahlt keinen Pachtzins. Andererseits ist Marie Koch im Grundbuch als Besitzerin eingetragen, sie erhält darum keine Ergänzungsleistungen und auch keine Prämienverbilligung bei der Krankenkasse. Sie muss von 1225 Franken AHV leben. Ihr Erspartes hat sie für den Kampf vor den Gerichten verbraucht.
* Name bekannt