Rosmarie Zollinger (63) sitzt beim Besuch von BLICK mit ihren beiden Enkelkindern beim Sandkasten im Garten vor dem Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert. Drei Stockwerke mit drei Wohnungen gibts im stattlichen Bauernhaus in Watt ZH nahe dem Katzensee. In der unteren Wohnung lebt Rosmarie Zollinger, im oberen Teil ist Tochter Claudia Ulrich (33) zu Hause – mit ihrem Ehemann Stefan (33) und den beiden Söhnen Robin (4) und Jonas (2). Die beiden oberen Wohnungen haben Ulrichs zu einer umgebaut, um die Wohnfläche und die eher kleinen Zimmer für die junge Familie geräumiger zu machen.
Privatsphäre ist wichtig
«Es ist praktisch, wenn die Grossmutter im gleichen Haus lebt und die Kinder bei Terminen kurz beaufsichtigen kann», sagt Claudia Ulrich, als sie von der Physiotherapie nach Hause kommt. Zwei Tage pro Woche arbeitet die junge Bäuerin auswärts als kaufmännische Angestellte und verdient das Feriengeld für die Familie. Auch dann betreut Rosmarie Zollinger die Buben.
Claudia Ulrich und Rosmarie Zollinger sehen vorwiegend Vorteile darin, dass sie alle unter einem Dach leben. Die beiden Frauen kümmern sich hauptsächlich um Kinder, Haus, Garten und Reben, während Claudias Ehemann für Tiere und Hof zuständig ist. «Das Wichtigste ist sicher, dass genügend Platz da ist und jeder seine eigene Wohnung und Privatsphäre hat. Sonst wird das Zusammenleben schwierig», sagt Rosmarie Zollinger.
1980 ist Zollinger auf den Hof ihres inzwischen verstorbenen Ehemanns gezogen. Sie haben damals mit den ebenfalls verstorbenen Schwiegereltern im gleichen Haus gelebt. «Das war oft sehr schwierig – vor allem mit der Schwiegermutter», erinnert sich die Bäuerin. Der Schwiegervater war es, der damals gelegentlich die Enkelkinder Claudia und ihren Bruder hütete, wenn Rosmarie mit Ehemann Ruedi Schulbesuche oder ähnliche Termine hatte.
Keine Zeit für Streit
«Die Beziehung zu meiner Schwiegermutter war bis zu ihrem Tod angespannt», erzählt Zollinger. Dennoch hat sie aus dieser schwierigen Konstellation und den Erfahrungen viel Positives mitgenommen. Davon profitiert jetzt ihre Tochter und deren Familie. «Ich mische mich nicht in die Erziehung der Kinder ein. Und abends störe ich meine Tochter und ihren Mann nicht, damit sie auch Zeit als Paar haben, wenn die Kinder im Bett sind.»
Tochter Claudia sieht noch einen weiteren Punkt, der für ein angenehmes Zusammenleben wichtig ist: «Man muss tolerant sein. Wir streiten praktisch nie, dafür fehlt uns im Alltagsstress die Zeit.»
Neue Energie durch den Schwiegersohn
Die beiden Frauen wohnen aber nicht nur unter dem gleichen Dach, sondern arbeiten auch zusammen. Unter der Woche auf dem Hofladen mit hofeigenen Produkten und am Sonntag in ihrer Besenbeiz. Die lange Krankheit und der frühe Tod von Ruedi Zollinger hat Mutter und Tochter noch enger zusammengeschweisst. Während fünf Jahren haben die beiden Bäuerinnen den Hof allein geführt und hatten oftmals auch Existenzängste. «Mit meinem Ehemann Stefan ist aber wieder viel Energie in unser Haus und auf den Hof gekommen – und es ging wieder aufwärts», sagt Claudia Ulrich. Ihr gehört inzwischen der Hof. Sie ist die achte Bauerngeneration auf dem Hof der Zollingers. «Ich bin jetzt nur noch ihre Angestellte», sagt Mutter Rosmarie und lacht.
Zmittag essen alle gemeinsam
Auch die beiden Buben haben wieder Leben und Betrieb auf den Hof gebracht. Ist das der Grossmutter nicht manchmal alles zu viel? «Nein. Die Kinder sind viel zu schnell gross. Das sollte man geniessen.» Über Mittag legt sie sich in ihrer Wohnung auch mal etwas hin, um sich auszuruhen. Und auch Frühstück und Abendessen geniesst jede Familie für sich in der eigenen Wohnung. Das Mittagessen findet gemeinsam statt. Da ist auch Schwiegersohn Stefan mit am Tisch. Er ist ebenfalls auf einem Bauernhof zusammen mit den Grosseltern aufgewachsen.
In welcher Wohnung gekocht und was gegessen wird, das wird jeweils spontan entschieden. Claudia Ulrich: «Da sind wir alle flexibel und schauen spontan, was wir im Kühlschrank haben und was wir daraus kochen können.»