Guter Sex kommt nicht von alleine
Was Sie gegen die Flaute im Bett tun können

Viele Schweizer sehnen sich nach besserem Sex, das zeigen Statistiken. Doch viele wissen nicht, was sie im Bett wollen und wie sie ihre Wünsche ansprechen sollen. Das muss nicht sein. Guter Sex ist lernbar, sagen Expertinnen.
Publiziert: 31.07.2021 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2021 um 10:06 Uhr
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Alexandra Haas (49) berät Menschen zum Thema Sex und verkauft Erotikspielzeug: «Viele denken, man kann Sex nicht erlernen. Das Tragische daran: Manche erweitern deswegen nie ihren Horizont.»
Foto: Ariane Pochon
Alexandra Fitz

Paartherapeuten und Sexologinnen sind sich einig: «Wir brauchen besseren Sex.» Das Problem: Wir alle glauben, Sex sei etwas Naturgegebenes, was jeder könne. «Viele denken, man kann Sex nicht erlernen. Das Tragische daran: Manche erweitern deswegen nie ihren Horizont», sagt Alexandra Haas (49), die Menschen zum Thema Sex berät und Erotikspielzeug verkauft.

Für den aktuellen Sanitas-Gesundheitsreport wurden 2000 Schweizer und Schweizerinnen zu ihrem Sexleben befragt. 34 Prozent Männer geben an, dass sich an ihrem Sexualleben etwas ändern sollte. 24 Prozent der Frauen wünschen sich das. «Ich höre immer wieder von Paaren: ‹Unser Sexleben ist schlecht, in dem Fall passt es mit uns nicht›», sagt Psychotherapeutin und Sexologin Dania Schiftan. Das sei Quatsch. Sex wird gelernt. Die gute Nachricht: Wir können ihn verändern. Aber wir müssen es wollen.

Der Hunger kommt mit dem Essen

57 Prozent der Schweizer geben an, dass ihnen das eigene Sexualleben wichtig bis sehr wichtig ist. Wo harzt es dann? «Uns fehlt das Wissen», sagt Schiftan. Wie soll man wissen, was man will, wenn man gar nicht weiss, was es gibt? Der Hunger komme mit dem Essen. Je mehr man ausprobiere, je mehr man spüre, je mehr man sich darauf einlasse, desto mehr könne sich schärfen, was einem gefalle.

Auch Sexualtherapeutin Christiane Weinand aus Bern verwendet die Kochmetapher. Essen könne jeder, aber kochen nicht unbedingt. Es geht darum, was und wie man kocht. Convenience-Food kaufen vergleicht die 56-Jährige mit Porno konsumieren. Null Nährwert. Da sei gemeinsam eine Pizza belegen, schon was anderes.

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«Wie geht Beziehung?» müsse ein Unterrichtsfach in der Schule sein, sagt Weinand. In Schulen wird vor allem Funktionales erklärt, wie Mädchen nicht schwanger werden. Ausserdem fehlen uns die Vorbilder. Wir hätten keine Generation, die uns vorlebte, wie man über Sex spricht. Die 68er hätten zwar Tabus aufgebrochen, aber Scham spielt nach wie vor eine grosse Rolle.

Über unseren eigenen Sex zu reden, fällt uns schwer. «Das Thema Sex geht uns nahe, wir sind da alle sehr verletzlich», fasst es Haas zusammen. Je länger man damit warte, etwas Unangenehmes zu sagen, desto schwieriger werde es. Ein Beispiel: Man erlebt beim Sex mit dem Partner / der Partnerin nie einen Orgasmus, tut aber nichts dergleichen. Man arrangiert sich, denkt: Wir haben es ja sonst gut. Irgendwann hält man es vielleicht nicht mehr aus und platzt damit heraus. Wenn seit dem ersten Mal zig Jahre vergangen sind, dann kommt das aus dem Nichts mit voller Wucht. Es wäre achtsamer, heikle Themen zeitnah anzusprechen. Haas wünscht sich: «Es wäre schön, wenn wir so entspannt über Sex reden könnten wie übers Essen.» Sie hat diesbezüglich Hoffnung.

Mann und Frau haben Sex anders gelernt

Weinand beschreibt folgende Situation und nennt sie «Klassiker»: Die Frau will kuscheln, doch sobald sie die Nähe sucht, will er Sex. Das Kuscheln wird erotisiert. Die Frau kommt in den Stress und denkt: Was mache ich jetzt? Entweder bittet sie ihn aufzuhören oder sie macht mit, obwohl sie keine Lust hat. Das muss besprochen werden, sagt Weinand. Lösungsorientiert. Die Frau muss erklären, dass sie das unter Druck setzt, muss sagen, was sie bräuchte, um sich auf Erotik einzulassen. Und Männer müssen lernen, ihrer Partnerin zu helfen, sich zu entspannen und dass Kuscheln und Sex zwei unterschiedliche Dinge sind.

Schliesslich, so Weinand, haben Mann und Frau eine unterschiedliche Sexualentwicklung. Männer haben meist einen jahrelangen Fortschritt in der Sensibilisierung ihres Penis. Sie haben früh gelernt, wie sie ihr Glied sensibilisieren und zu einer Erektion kommen. Alle sehen, wenn ein Penis steif ist. «Das haben Frauen alles nicht», sagt Weinand. Die klitorale Berührung wird immer noch vernachlässigt. Die Frau denkt dann schnell: Ich werde nicht erregt, habe keinen Orgasmus, ich bin einfach nicht so der Typ dafür.

Das habe mit sexueller Bildung zu tun. Um das zu verändern, müssten sich Frauen mehr mit ihrer eigenen Sexualität beschäftigen. Weinand weiss, dass das schwer ist. Wo soll Frau das auch lernen? Kurse wie Tantra werden gleich als Nische abgetan.

Endlich wird offener über Sex geredet

Schiftan beschreibt auch einen Klassiker und zwar einen Kompromiss, den viele Paare im Bett machen. Und der geht so: Solange du mich vorher leckst oder mit der Hand befriedigst und zum Orgasmus bringst, kannst du danach in mich eindringen. So à la: Es bringt mir nicht viel, ist aber schon okay. Solche Kompromisse seien gut. Schwierig werde es, wenn es zu viele seien oder es für einen der beiden langweilig werde. Dann könne man etwas verändern.

Alexandra Haas hat Hoffnung. Sie beobachtet, dass immer mehr Menschen dem Sex eine grössere Bedeutung in ihrem Leben einräumen und spricht von einer kleinen sexuellen Revolution. Einerseits gebe es heute mehr Angebote, wo Menschen ganz viel über Sex lernen können, andererseits sind Themen wie «Was ist die Vulva?», «Wie sieht die Klitoris genau aus?» und «Wie erleben wir Orgasmen?» präsenter im Alltag und in den Medien. So finden auch gemäss Sanitas-Report 58 Prozent, dass wir als Gesellschaft anders über Sexualität sprechen sollten. Haas: «Ehemalige Tabuthemen werden offen diskutiert, das lässt hoffen.»

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