Der Fall bereitete den Untersuchungsbehörden erst mal nichts als Fragezeichen: Am 29. Oktober 2020 verschwand die lebenslustige Frührentnerin Marianne G.* in Bottighofen TG. Erst am 5. Dezember fand ein Anwohner (26) den Kopf der Schweizerin in einem Waldstück bei Egnach TG – mit einer Schussverletzung. Vom Rest des Körpers fehlte jede Spur.
Schon kurz nach dem Grusel-Fund fiel der Verdacht auf die Vermieterin des Opfers, die Ukrainerin Anna F.* (55). Mitbewohner hatten die beiden im Vorfeld beim Streit beobachtet. Anna F. wohnte ebenfalls in dem Haus an der Hauptstrasse in Bottighofen. Beim Streit ging es um Geld. Nach der Frühpension im Sommer 2020 konnte Marianne G. ihren Mietanteil von 900 Franken nicht mehr bezahlen. Es kam zuerst heftigen verbalen Beschimpfungen.
Mit Küchenmessern, Säge und Gartenwerkzeug
In den frühen Morgenstunden des 29. Oktobers trug Marianne G. mit einem Kollegen noch Zeitungen aus. Gegen 10 Uhr hätte sie einen Kollegen für die zweite Runde abholen sollen. Das tat sie aber nie. Stattdessen kam es in der Zwischenzeit zu einer weiteren Auseinandersetzung mit Anna F., die in der Waschküche eskalierte. Die Beschuldigte schoss dort mehrmals mit einer Pistole auf Marianne G., heisst es in der Anklageschrift. «Nachdem G. röchelnd zu Boden ging, schoss sie dem Opfer mindestens einmal gezielt in den Kopf.»
Anschliessend habe Anna F. mehrere Küchenmesser aus ihrer Wohnung sowie Gartenwerkzeug und eine Säge aus der Gartenlaube geholt. Damit sei sie wieder in die Waschküche gegangen und habe begonnen, das Opfer zu zerlegen, schreibt die Staatsanwaltschaft. «So wie sie bereits früher in der Ukraine Tiere geschlachtet und ausgenommen hatte.» Die Leichenteile habe sie in weisse, gebührenpflichtige Abfallsäcke verteilt, die Projektile der abgefeuerten Schüsse aus dem Bauchfett entfernt.
Danach sei sie in ihre Wohnung gegangen, habe die Schuhe gewechselt, Kaffee getrunken und habe anschliessend mit einem Gartenschlauch die Blut- und Fettrückstände in den Abfluss gespritzt. Die Abfallsäcke habe sie dann in verschiedenen Containern verteilt. Skrupel habe sie nur beim Kopf gezeigt. Den habe sie nicht in den Abfall werfen wollen, sondern verpackte diesen separat und vergrub ihn am späten Abend in einem Waldstück. Zuvor sei sie in die Wohnung des Opfers eingedrungen, habe deren Autoschlüssel geklaut, und habe das Auto von Marianne G. – das ihrem Zeitungs-Kollegen gehörte –, auf dem Parkplatz eines Vitaparcours abgestellt. Später sei sie mit dem ÖV nach Hause gefahren und habe den Schlüsselbund in einen Bach geworfen.
Anna F. leitete Schlichtungsverhandlung ein
Um ihre Spuren zu verwischen, ging Anna F. noch weiter. Sie schrieb mehrere böse Briefe an Marianne G. und forderte sie auf, endlich zu bezahlen. Sie lancierte sogar eine Schlichtungsverhandlung, zu der sie am 8. Dezember 2020 auftauchte und sich dort über das Fernbleiben von Marianne G. aufregte. Gleichentags wies sie eine Firma an, sämtliche Überwachungsvideos rund um ihre Liegenschaft zu löschen. Bereits zuvor bot sie eine Kanalreinigungsfirma auf, weil der Abfluss in der Waschküche verstopft war.
Trotzdem kamen ihr die Behörden auf die Spur. Nachdem Marianne G. während Wochen vermisst worden war – das Auto wurde schnell gefunden und die Polizei ging fortan von einem Verbrechen aus – fand ein Mann ihren Kopf bei Mäharbeiten im Wald. Der Verdacht fiel rasch auf Anna F., weil ihre Streitereien mit Marianne G. auch anderen bekannt waren und bei den weiteren Ermittlungen festgestellt wurde, dass Anna F. mehrere Waffen besass.
Blutspur war belastend – Anna F. geständig
Bei der Durchsuchung der Liegenschaft am 11. Dezember wurden dann im Keller grosse Mengen Blut mit Luminol sichtbar gemacht. Auch die Leichenspürhunde reagierten. Die unsichtbare Blutspur konnte bis zur Tür von Andrea F. nachverfolgt werden. Dort fanden die Ermittler auch im Bad und im Badewannenabfluss Blutrückstände. Man fand auch die Pistole zum Projektil, das im Kopf des Opfers steckte.
Die Beschuldigte wurde in Untersuchungshaft genommen und gestand die Tat. Nicht klar ist, warum sie in der Waschküche so reagierte. Sie sagt, ihr Opfer sei beim Streit von hinten an sie herangetreten und habe sie gewürgt, worauf sie sich bedroht gefühlt und ihre Pistole benutzt habe. Die Staatsanwaltschaft sagt, die Spurenlage würde etwas anderes darstellen. In jedem Fall habe sie als Motiv angegeben, sich über die ausbleibenden Mitzinszahlungen genervt zu haben. Die «fette, freche Kreatur» habe «alle Grenzen überschritten», soll sie ausgesagt haben. Anna F. soll gesagt haben, die Welt von «einem Parasiten» befreit zu haben.
Ein Psychiater attestierte ihr eine starke Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen. Ihre Einsichtsfähigeit sei aber nie eingeschränkt gewesen, womit auch die Schuldfähigkeit «maximal leicht eingeschränkt» sei. Verwahrung wird nicht empfohlen.
18 Jahre Haft gefordert
Anna F. war nicht einschlägig vorbestraft und ist eine passionierte Sportschützin. Die Staatsanwaltschaft wirft Anna F. vorsätzliche Tötung und Störung des Totenfriedens vor und fordert eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren.
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* Namen geändert