Grosses Opernprojekt gestoppt
Rütli-Verbot für Wilhelm Tell

Urs Althaus arbeitete jahrelang an seiner Oper über die Schweizer Sagenfigur. Dann wurde der Urner Schauspieler (66) ausgebremst – und fordert nun Entschädigung.
Publiziert: 20.08.2023 um 10:42 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2023 um 14:07 Uhr
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Das Rütli ist ein Nationalsymbol: Hier soll die Schweizer Eidgenossenschaft begründet worden sein.
Foto: keystone-sda.ch
Lino Schaeren und Flavia Schlittler

Neun Jahre lang hat der Urner Schauspieler und Unternehmer Urs Althaus (66) für seinen Traum gearbeitet: die Inszenierung von Gioachino Rossinis Oper «Wilhelm Tell» – am Originalschauplatz auf dem Rütli. Jetzt ist der Traum geplatzt.

Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft im Wandel

Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), der seit 160 Jahren die Verwaltung der sagenumwobenen Wiese am Vierwaldstättersee anvertraut ist, hat dem Vorhaben den Stecker gezogen: ein weiterer Eklat, seit Nicola Forster (38) dort 2020 das Präsidium übernommen hat.

Für sein Versprechen, die SGG zu erneuern, erntet er seither heftigen Gegenwind. Vor drei Monaten sah sich Forster, der im Herbst als Co-Präsident der Zürcher Grünliberalen für den Nationalrat kandidiert, sogar mit einem Putschversuch konfrontiert: Rechte Kräfte warfen ihm vor, ausgerechnet in der traditionsbewussten SGG seinen linksliberalen Kurs durchboxen zu wollen.

Das Lager um Forster konnte seine Abwahl zwar verhindern. Nun aber droht ihm Ungemach aus Bundesbern: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) will in der Herbstsession eine Motion einreichen, mit der das Rütli der SGG und damit Forster entzogen werden soll.

Keine Tell-Oper auf dem Rütli

Zum bevorstehenden Kulturkampf um die nationale Wiese kommt nun mitten im Wahljahr noch der um die Tell-Oper: Die SGG-Spitze lehnte nicht nur ein Gesuch auf finanzielle Unterstützung der Produktion ab, sondern gleich noch die Benützung des Rütlis dafür.

Initiant Althaus ist überzeugt, dass der Führungswechsel bei der SGG dahintersteckt, denn die Absage erfolgte im September 2022 – rund zwei Monate zuvor war der Rausschmiss von SGG-Geschäftsführer Lukas Niederberger (59) bekannt geworden. Bevor unter Forster die Kehrtwende erfolgte, befürworteten Niederberger und die SGG insgesamt das Opernprojekt.

Riesen Projekt

Althaus verfolgte dabei ein ambitioniertes Ziel: 75 Vorstellungen sollte es geben, verteilt auf drei Sommer, für ein Gesamtbudget von knapp acht Millionen Franken. Der Schauspieler («Der Name der Rose», «Das Traumschiff») hatte namhafte Unterstützer: Im Patronatskomitee der «Grand Opéra Wilhelm Tell» sassen alt Bundesrat Samuel Schmid (76), Nadja Schildknecht (50), Mitbegründerin des Zurich Film Festival, TV-Köchin Meta Hiltebrand (40) und Tamedia-Verleger Pietro Supino (57). Die künstlerische Leitung hatte Andreas Winkler (51), Opernsänger und langjähriges Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich.

Die Grossproduktion musste mehrfach verschoben werden. Zuerst wegen Finanzierungslücken, dann 2020 wegen Corona. Dennoch wurde das Projekt stets auch von der SGG unterstützt, ideell und finanziell.

Doch die plötzliche Absage im Herbst 2022 sei «ein Schock» gewesen, sagt Initiant Althaus.

Althaus wirft SGG vor nie eine Oper auf dem Rütli gewollt zu haben

Nichts habe auf diesen Sinneswandel hingedeutet, auch nicht die Verkleinerung des Projekts von acht auf zwei Millionen oder die konzeptionelle Neuausrichtung. Auf Vermittlung von Lukas Niederberger wurde dafür die Schweizer Stardirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer (40) an Bord geholt.

Althaus ist überzeugt, dass die neue SGG-Führung nie eine Tell-Oper auf dem Rütli wollte. Und er fordert Schadenersatz: 100'000 Franken habe er aus seiner Altersvorsorge als Darlehen in den Trägerverein gesteckt. Diesen Betrag verlangt Althaus von der SGG zurück: «Da uns das Rütli plötzlich nicht mehr als Veranstaltungsort zur Verfügung steht, bekomme ich meine Investition nicht mehr zurück.»

Forster widerspricht Althaus

Die SGG beteiligte sich zwar mit 10'000 Franken an der Auflösung des Trägervereins «Grand Opéra Wilhelm Tell», die Forderung von Althaus aber lehnte sie ab. Dieser prüft deshalb rechtliche Schritte.

SGG-Präsident Forster bestreitet die Darstellung von Althaus. Die Absage der Tell-Oper habe nichts mit dem Wechsel im Vorstand zu tun. Neun Jahre lang habe der Trägerverein das Projekt Mal für Mal verschoben – aufgrund fehlender Finanzen und anderer widriger Umstände. Mit der Neuausrichtung sei die Ausgangslage erneut verändert worden. Das Gesuch für das neue Projekt sei geprüft und letztlich durch den Vorstand abgelehnt worden.

Forster erklärt Abfuhr nicht

Nur: Wieso erteilte der SGG-Vorstand der Familienoper auf dem Rütli eigentlich eine Abfuhr? Forster: «Darüber sprechen wir mit den Gesuchstellern, nicht mit den Medien!» Der Präsident verweist lediglich auf das finanzielle Risiko und die Dimensionen des Vorhabens: Eine Tell-Oper hätte das Rütli jeweils im Sommer während mehrerer Monate mit grossen Bauten blockiert.

«In einem solchen Fall müsste es sicher sein, dass das Projekt tatsächlich zum Fliegen kommt, damit die SGG es unterstützen kann.» Er selbst aber habe grosses Verständnis dafür, dass eine solche Absage schmerzhaft sei.

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