Ueli Maurers Bundesratsabenteuer begann bei Schnee und Eisregen: An einem Novemberabend 2008 präsentierte SVP-Tycoon Christoph Blocher in den Jura-Werken im solothurnischen Niederbuchsiten seinen Kandidaten den Medien. Maurer, verkündete der Übervater ironiefrei, sei der «zweitbeste» Mann, den die Partei portiere – natürlich nach ihm selbst.
Und Maurer tat, was er am besten kann: Er kokettierte. Er sei nicht so fähig wie Blocher, säuselte er, deshalb gebe er seine Stimme dem Compagnon aus Herrliberg. Dabei war sich Maurer durchaus im Klaren: Im Reich der Zweibeiner ist man mit Vorteil Millionenerbe, Topmanager – oder Bundesrat. Seine Wahl war zu jenem Zeitpunkt so gut wie sicher.
14 Jahre später, am vergangenen Freitag, kündigte der Zweitbeste das Ende seiner Regierungstätigkeit an. Das öffentliche Begleitgeräusch dazu verblüfft. Selbstverständlich muss Maurers Dienst am Lande gewürdigt werden. Reflexartig verneigen sich politische Mitstreiter wie Gegner, und wie es sich gehört, wird noch einmal sein undiplomatisches Wesen gefeiert. Über Tote kein schlechtes Wort, auch nicht über lahme Enten im Politbetrieb. Wer mag da die Andacht stören?
Und doch irritiert der redaktionelle Konfettiregen über den «besorgten Kassenwart», den «Chrampfer» und «Staatsmann». Da werfen sich manche Journalisten vor einem Mann in den Staub, der sie nur einen Tag zuvor in seiner Rücktrittserklärung wieder einmal in schnoddrigster Weise abgekanzelt hat.
Maurer spielte am Freitag die bekannte Platte vom Medienabstinenzler ab, vom Bundesberner Maverick, der sich nur via Teletext informiert und das Radio nach drei Minuten abschalten muss, weil er genug vom «Einheitsbrei» hat. «Ich lese ihre Produkte nicht, weil sie nichts bieten», sagte der überzeugte Gegner der Medienförderung zu den versammelten Pressevertretern.
Mehr Verachtung für die Vierte Gewalt geht kaum. Ein Wunder, dass der ehemalige Bauernfunktionär nicht noch Tomaten und Eier in Richtung der Beschimpften warf. Es drängt sich die Frage auf, ob gewisse Schweizer Journalisten nicht am Stockholm-Syndrom leiden.
Schon in seiner Zeit als SVP-Parlamentarier und Parteipräsident konnte der Zürcher Oberländer erfolgreich sein Image als Outlaw pflegen. Er kannte die richtige Dosis Provokation, die dazu nötig ist, bezeichnete das Rütli als Wiese mit Kuhdreck und betrachtete das Aussprechen des N-Worts als Garant für einen Fernsehauftritt. Als Bundesrat stufte er den Gräuelmord an einem Journalisten durch das saudische Königshaus als «schon lange abgehandelt» ein, stieg ins Freiheitstrychler-Hemd und lobte den Russen Sergej Lawrow als «einen der besten Aussenminister».
Maurer hat unbestritten seine Verdienste als Finanzvorsteher. Er verantwortete die raschen Covid-Hilfen für die Wirtschaft und galt als verlässlich-konservativer Säckelmeister.
Dennoch steht er für eine Haushaltspolitik, die den gesellschaftlichen Kompass zu verlieren droht. Erkennbar ist das an den schmerzhaften Niederlagen, die er an der Urne einstecken musste: Die Unternehmenssteuerreform III, die Erhöhung der Kinderabzüge, die Abschaffung der Stempelsteuer oder – aktuell – seine Pleite bei der Vorlage zur Verrechnungssteuer. Nie triumphierte die Linke glanzvoller, als wenn sie gegen Maurer antreten konnte. Das war schon beim Nein zur Gripen-Beschaffung der Fall, in seiner Zeit als Verteidigungsminister.
Es ist daher auch ein wenig amüsant, wie bemüht sich der baldige Polit-Pensionär als Mann aus dem Volk darstellt, als Aussenseiter im Spitzenamt, der sich um die soziale Spaltung sorgt und zu den Benachteiligten schaut. Diese Nummer gipfelte am Freitag in Maurers unfassbar selbstverliebter Aussage, er verstehe sich in seinem Departementsgebäude am besten mit den Putzfrauen: Kokettieren kann er immer noch am besten.