Grosse Demo am Freitag
Corona-Skeptiker wollen Russen-Sanktionen aufheben

Die Energie-Krise macht Angst. Und genau deswegen formiert sich Widerstand in der Schweiz und Europa. Sie fordern, dass die Russland-Sanktionen gestoppt werden, damit Putins Gas und Öl wieder wie gewohnt fliessen kann. Unter den Protestlern sind viele Corona-Skeptiker.
Publiziert: 08.09.2022 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2022 um 11:15 Uhr
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In Deutschland, wie hier in Leipzig, gehen Menschen auf die Strasse, um gegen die Energie-Politik der Regierung zu demonstrieren.
Foto: keystone-sda.ch
Johannes Hillig

Die Forderung ist klar: Die Sanktionen gegen Russland sollen gestoppt werden – und zwar sofort. Genau dafür kursiert derzeit ein Aufruf der Bewegung «Volksaufklärung» im Netz, der Werbung für eine Demonstration am Freitag um 18 Uhr am Zürcher Hauptbahnhof macht.

Kein Wunder: Die Energie-Krise macht Angst. Kreml-Chef Wladimir Putin (69) hat dem Westen den Gas- und Öl-Hahn zugedreht. Nicht komplett, aber es reicht für einen enormen Preisanstieg.

Die Bewegung macht deswegen Stimmung gegen die Politik. «Ihr müsste nicht frieren im Winter! Eure Regierung will, dass ihr friert!», heisst es im Aufruf. Die Stadtpolizei Zürich hat Kenntnis davon. «Wir wissen von dem Aufruf. Ein Gesuch für diese Demonstration wurde nicht eingereicht», sagt Stapo-Sprecherin Judith Hödl zu Blick. Man bereite sich entsprechend darauf vor. Mehr sagt Hödl nicht dazu.

Corona-Skeptiker Rimoldi diskutiert mit Berset übers Covid-Gesetz
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Bei Bundesratsreise:Nicolas Rimoldi diskutiert mit Berset übers Covid-Gesetz

Simonetta Sommaruga soll zurücktreten

Es ist nicht der einzige Protest gegen die Schweizer Energie-Politik. Auch Corona-Skeptiker sind wieder vorne mit dabei. Allen voran: Nicolas Rimoldi (27) und seine Bewegung «Mass-Voll». «Die können uns doch im Winter nicht einfach den Strom abstellen!», sagte der «Mass-Voll»-Präsident bereits im Juli zu Blick.

Auf Telegram hat er eine Petition gestartet. Er fordert den Rücktritt von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62), weil sie angeblich «massgeblich für das Desaster verantwortlich ist». Und noch andere alte Bekannte aus der Corona-Skeptiker-Szene sind mit an Bord: die Freiheitstrychler.

Überhaupt haben sich Massnahmen-Gegner auf ein neues Thema geeinigt. Gerade in den Telegram-Chatgruppen der Corona-Skeptiker wird nun Stimmung gegen die Energie-Politik gemacht. Die Schweiz ist da kein Sonderfall. In ganz Europa hat sich der Corona-Widerstand neu formiert. Mit dem Thema Energie-Krise gab es neuen Zulauf.

Ukraine wichtiger als das eigene Volk

Allein in Prag kamen am Wochenende rund 70'000 Menschen unter dem Motto «Die tschechische Republik zuerst» zusammen, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Der Politik sei die Ukraine wichtiger, als die eigene Bevölkerung, lautet der Vorwurf.

Dabei ging es aber nicht allein um die Energie-Krise. Auch Corona-Impfungen und die Aufnahme von Flüchtlingen waren Themen bei dem Protest. Tschechien hat rund 400'000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen und dem Land militärische Güter und humanitäre Hilfe in bedeutendem Ausmass geliefert.

«Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen»

Auch in Deutschland gibt es Widerstand und die Sorge wächst, dass es schlimmer werden könnte als bei Corona. Schon im Juli hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52) davor gewarnt, dass es im Herbst zu einer Radikalisierung kommen könnte. Eben dann, wenn die Preise weiter steigen und dazu auch noch eine Corona-Welle wieder neue Massnahmen bringen könnte. «Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten», sagte die SPD-Politikerin im Juli zum «Spiegel».

Sprachrohre der Anti-Corona-Protestbewegung vollzögen derzeit teils «nahtlos einen Themenwechsel», sagte der niedersächsische Verfassungsschutzchef Bernhard Witthaut (67). Die Inhalte erschienen fast schon beliebig, Hauptsache, sie seien geeignet, «Angst und Wut zu schüren und diese auf den Staat zu projizieren».

Verfassungsschutz beobachtet die Protest-Szene

Dass es zu gewaltsamen Protesten kommt, schlimmer als zu Corona-Hochzeiten, glaubt Thomas Haldenwang (62) bislang nicht. «Aktuell haben wir keine Anzeichen für gewalttätige Massenkrawalle», sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Ende August zur «Bild am Sonntag».

Dennoch seien die Sicherheitsbehörden für alle denkbaren Szenarien gewappnet. Der Verfassungsschutz schaue genau hin, ob der legitime Protest gegen die hohen Energiepreise von Demokratiefeinden gekapert werde, hob Haldenwang hervor.


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