Ist der drohende Strommangel im Winter Folge des Schweizer Atomausstiegs? Im bürgerlichen Lager mehren sich die Stimmen, die Energiestrategie des Bundes für gescheitert erklären und ihr eine Mitschuld an der aktuellen Krise geben. Namentlich die SVP, aber auch FDP-Exponenten fordern, angesichts der Unsicherheiten auf dem Energiemarkt wieder auf Atomkraft zu setzen. Diese sei verlässlich und günstig.
So sagte etwa FDP-Präsident Thierry Burkart (47) kürzlich gegenüber der NZZ: «Die Abhängigkeit vom Ausland ist eine Folge der Grundsatzentscheide der Energiestrategie 2050. Es war damals schon klar, dass der Ausstieg aus dem Atomstrom zu einer Stromlücke führen wird.»
SVP wittert Geheimplan
Geradezu eingeschossen auf die Energiestrategie 2050 hat sich die SVP. Dahinter stecke ein eigentlicher «Geheimplan zum Zweck der Umerziehung der Bevölkerung und des Ausbaus einer staatlichen Öko-Diktatur», wie Fraktionschef Thomas Aeschi (43) im Sommer sagte.
Die Partei fordert, dass das Verbot für neue Kernkraftwerke aufgehoben wird und die CO2-Reduktionsziele «zugunsten einer sicheren und bezahlbaren inländischen Energieversorgung aufgeschoben» werden.
Hohes Risiko für den Staat
Nun wehrt sich die Baumeisterin der Energiestrategie 2050, alt Bundesrätin Doris Leuthard (59): «Die AKW-Befürworter müssen endlich ehrlich sein und sagen, dass der Bau neuer AKW 20 Jahre in Anspruch nimmt und mit sehr hohen Kosten für den Staat verbunden ist, weil kein privates Unternehmen das Risiko tragen will», sagt sie gegenüber «20 Minuten».
Auch die Schweizer Energiekonzerne können sich nicht für neue AKWs erwärmen. Axpo-Chef Christoph Brand erteilte den Forderungen schon vor längerem eine Absage: Kernkraft sei schlicht zu teuer. «Eine Megawattstunde aus einer neuen Fotovoltaikanlage in Frankreich kostet rund 50 Euro. Die Kernkraft ist etwa doppelt so teuer», sagte er in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media schon vor einem Jahr. Die Kreise, die ein neues AKW wollten, sollten ein Projekt lancieren und auch die Finanzierung dafür bereitstellen.
Uran muss auch importiert werden
Leuthard verweist zudem darauf, dass Atomstrom nichts an der Abhängigkeit vom Ausland bei fossilen Brennstoffen ändere. Denn auch Uran muss importiert werden. Auch das Uvek von Energieministerin Simonetta Sommaruga (61) verweist gegenüber «20 Minuten» auf diesen Aspekt. Die aktuelle Situation zeige, wie abhängig die Schweiz beim Gas und Öl vom Ausland sei, so eine Sprecherin. Man müsse daher diese Abhängigkeit reduzieren und den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben. «Ohne diesen Ausbau wäre die Situation für die Schweiz aktuell noch schwieriger.» (sf)