Weil viele Atomkraftwerke still stehen
Frankreich droht das Lichterlöschen

Über die Hälfte der französischen AKW sind derzeit nicht in Betrieb. Das Land muss erstmals Strom importieren. Für Experten ist das kein gutes Omen für den Winter. Unserem Nachbarland drohen im Winter Stromunterbrechungen.
Publiziert: 02.08.2022 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2022 um 15:36 Uhr
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Gehen in Frankreich im Winter die Lichter aus? Möglich ist es. Im Bild: der Eiffelturm in Paris.
Foto: Blick
Sermîn Faki

Es ist brütend heiss in Europa. Der Winter – und damit die drohende Energiekrise – scheint weit weg. Doch in Frankreich steigt die Sorge im Hinblick auf die kommenden Monate. Der Grund: 30 der 56 französischen Atomkraftwerke stehen derzeit still. 18 davon, weil sie gewartet werden müssen – und das deutlich länger dauert als erwartet. Zwölf weitere AKW mussten in den vergangenen Wochen wegen Rostschäden abgeschaltet werden.

Eine Situation, die so nicht vorgesehen war: Normalerweise produziert Frankreich, dessen Strommix zu 70 Prozent aus AKW-Strom besteht, viel mehr Elektrizität als die eigenen Haushalte und Unternehmen benötigen. Den Rest exportiert das Land. Doch derzeit nicht: Erstmals in seiner Geschichte muss Frankreich 20 Prozent seines Strombedarfs importieren.

«Es wird geplante Unterbrechungen geben»

Für den bevorstehenden Winter sind das laut Atomspezialist Yves Marignac keine guten Vorzeichen. «Das ist eine absolute Premiere, dass so viele AKWs gleichzeitig nicht funktionieren», sagt er gegenüber dem SRF-Fernsehen.

Dies führe in Zusammenspiel mit den Gasengpässen durch den Krieg in der Ukraine dazu, dass Frankreich im Winter eine grosse Energiekrise erleben werde. Marignac hat wenig Hoffnung: «Ich denke, ein Totalausfall kann vermieden werden, aber wahrscheinlich wird es geplante Stromunterbrechungen geben, um Energie zu sparen.»

Das betrifft auch die Schweiz – denn im Winter muss unser Land Elektrizität importieren. Ein Grossteil des Winterstroms fliesst dabei aus Frankreich zu uns. Diesmal dürfte in der kalten Jahreszeit aber nur wenig Strom aus Frankreich bezogen werden können.

Die schwierige Situation in Frankreich kommt wohl davon, dass die dortigen Meiler alt sind – könnte man meinen. Wohl auch, aber der neue Reaktor EPR in Flamanville, auf dem viele Hoffnungen ruhten, bereitet ebenfalls Probleme. Er hätte bereits 2012 in Betrieb gehen sollen – nun hofft Betreiber Energie de France, es werde im kommenden Jahr klappen. Experte Marignac ist skeptisch: «Vielleicht wird der EPR eines Tages angeschlossen, aber wettbewerbsfähig wird er nie. Es ist wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe.»

Zieht Frankreich uns den Stecker?

Weil es diesen Winter schwierig werden könnte, genügend Atomstrom aus Frankreich zu erhalten, setzt die Schweiz umso mehr auf die eigene Wasserkraft. Der Bundesrat hat beschlossen, dass die Energieunternehmen in den Speicherseen eine Restwasser-Reserve zurückhalten müssen, damit im Winter auf diese zurückgegriffen werden kann.

Demnächst will die Eidgenössische Elektrizitätskommission bekannt geben, wie gross diese Reserve sein muss. Bislang war von 0.5 Terawattstunden (TWh) die Rede. Doch das würde nur für ein bis zwei Wochen reichen. Der grüne Nationalrat Bastien Girod (41) fordert daher eine grössere Reserve von bis zu 2 TWh, die bis zu zwei Monaten reichen würde.

Netzabschaltungen auch in der Schweiz Thema

Geplante Unterbrechungen, wie sie Marignac für Frankreich kommen sieht, sind auch in der Schweiz ein Thema. Sollte trotz Sparappellen und anderer Vorkehrungen nicht genügend Elektrizität vorhanden sein, könnte es kommenden Winter zu sogenannten Netzabschaltungen in einzelnen Gebieten der Schweiz kommen. Stadtquartiere und Dörfer müssten für einige Stunden am Tag auf Strom verzichten.

Je nach Situation geschieht dies im 4-8-4- oder 4-4-4-Stundentakt: vier Stunden Strom, dann vier oder acht Stunden Abschaltung, dann wieder vier Stunden Strom. Wohlgemerkt: Dies ist nur als allerletzte Massnahme im absoluten Notfall vorgesehen.

Ein Notfall, der wegen Frankreichs maroder AKW nun etwas wahrscheinlicher geworden ist.

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