Ab Montag ist es Arbeitgebern erlaubt, ihre Beschäftigten nach einem Covid-Zertifikat zu fragen. Das hat der Bundesrat diese Woche entschieden. Bedingung: Die Überprüfung darf nur dazu dienen, «angemessene Schutzmassnahmen» festzulegen.
Roger Rudolph (52), Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, stellt fest: «Mit der Änderung der Covid-19-Verordnung hat der Bundesrat die rechtliche Grundlage für eine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmenden mit und ohne Zertifikat geschaffen.»
Testen wird teuer
Ab Oktober, wenn der Bund die Testkosten für das Covid-Zertifikat nicht länger trägt, erhält diese Neuerung zusätzliche Brisanz: Dann werden pro Test rund 70 Franken fällig. Für alle weder Geimpften noch Genesenen, wird es teuer, ein gültiges Zertifikat zu erhalten.
Bei Umgeimpften sorgt die Entscheidung der Landesregierung deshalb für Verunsicherung: Was sind «angemessene Schutzmassnahmen» am Arbeitsplatz? Welche Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften ist denkbar?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) antwortet mit einem Beispiel: Für eine Grossmetzgerei, wo in engen Verhältnissen gearbeitet wird, kann ein Covid-Zertifikat künftig für obligatorisch erklärt werden. Eine Gärtnerei dagegen, deren Angestellte grossmehrheitlich im Freien tätig sind, darf keinen solchen Nachweis verlangen.
Diskriminierung von Ungeimpften verboten
Zur Diskriminierung von Ungeimpften dürfe es nicht kommen, betont das BAG: «Gilt eine Zertifikatspflicht, muss das Unternehmen regelmässig Tests anbieten oder die Testkosten übernehmen.»
Soll heissen: Niemand verliert seinen Job, weil er die Impfung ablehnt. Für tägliche oder wöchentliche Tests müssen Beschäftigte auch nicht selber aufkommen – das geht auf Kosten des Arbeitgebers.
«Differenzierte Massnahmen»
Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber statt Zertifikatspflicht «differenzierte Massnahmen» anordnet, etwa eine Homeoffice- oder Maskenpflicht für Personen ohne Zertifikat. Für diese weder Geimpften noch Genesenen muss der Arbeitgeber dann keine Testkosten mehr übernehmen.
Eine mögliche Konsequenz ist das Outing: Wenn an einer Sitzung mit zehn Teilnehmern in Zukunft nur einer Maske trägt, wissen alle: Diese Person ist nicht geimpft.
Eine unsympathische Vorstellung – und wenig förderlich für eine gute Arbeitsatmosphäre. Was auch der Grund dafür sein dürfte, weshalb grosse Arbeitgeber wenig Interesse an einer Zertifikatspflicht für ihre Mitarbeiter zeigen.
Migros, Credit Suisse und Co. verzichten auf Zertifikat
Die Migros-Gruppe, die schweizweit rund 90'000 Menschen beschäftigt, äussert sich auf Anfrage am deutlichsten: «Wir haben keinen Bedarf und werden das Zertifikat nicht einfordern.» Das Unternehmen setze stattdessen auf die geltenden Schutzkonzepte. Diese hätten sich bewährt.
Bei anderen Grosskonzernen klingt es ähnlich. «Ein Nachweis für die Covid-19-Impfung ist nicht vorgesehen», lässt die Credit Suisse ausrichten. Konkurrentin UBS schreibt: «In unseren Büros werden wir vorerst keine Zertifikatspflicht einführen.» Und Swisscom teilt mit, weder sei ein Zertifikat für Mitarbeitende Pflicht, noch plane man aktuell Änderungen.
Ab Montag dürfen Fachhochschulen und Universitäten von Studierenden ein Covid-Zertifikat verlangen. Die Dachorganisation der Schweizer Hochschulen empfiehlt ihnen diesen Schritt. Mehrere Bildungseinrichtungen – darunter ETH Zürich und EPFL, die Hochschule Luzern sowie die Universitäten in Genf, Lausanne, Neuenburg und Zürich – haben auch bereits angekündigt, eine Zertifikatspflicht einzuführen; bei anderen Hochschulen laufen entsprechende Beratungen. Die Universität Bern schreibt dazu: «Wir prüfen gegenwärtig zusammen mit dem Kanton Bern, ob und wie eine Ausweitung der Zertifikatspflicht erfolgen könnte und gleichzeitig sichergestellt ist, dass auch diejenigen Personen am Lehrbetrieb teilnehmen könnten, die nicht über ein Zertifikat verfügen.»
Ab Montag dürfen Fachhochschulen und Universitäten von Studierenden ein Covid-Zertifikat verlangen. Die Dachorganisation der Schweizer Hochschulen empfiehlt ihnen diesen Schritt. Mehrere Bildungseinrichtungen – darunter ETH Zürich und EPFL, die Hochschule Luzern sowie die Universitäten in Genf, Lausanne, Neuenburg und Zürich – haben auch bereits angekündigt, eine Zertifikatspflicht einzuführen; bei anderen Hochschulen laufen entsprechende Beratungen. Die Universität Bern schreibt dazu: «Wir prüfen gegenwärtig zusammen mit dem Kanton Bern, ob und wie eine Ausweitung der Zertifikatspflicht erfolgen könnte und gleichzeitig sichergestellt ist, dass auch diejenigen Personen am Lehrbetrieb teilnehmen könnten, die nicht über ein Zertifikat verfügen.»
Viele andere Unternehmen haben sich mit einer allfälligen Zertifikatspflicht bisher nicht vertieft auseinandergesetzt. Coop, Nestlé, Novartis, Post, Roche und SBB können noch nicht sagen, ob sie Anpassungen vornehmen werden.
Auch Kantone zurückhaltend
Ein vergleichbares Bild bieten die öffentlichen Arbeitgeber: Die bevölkerungsreichen Kantone Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich geben zu Protokoll, sie hätten sich noch nicht mit der Frage befasst, ob sie ihre Beamten nach dem Covid-Zertifikat fragen wollen.
Was besonders überrascht: Selbst für die Bundesbeamten in Bern ist eine Zertifikatspflicht zurzeit kein Thema. «Die Bundesverwaltung wird die Möglichkeit, Zertifikate ihrer Mitarbeitenden zu überprüfen, nur in sehr spezifischen Situationen anwenden», sagt ein Sprecher des Eidgenössischen Personalamts.
Die Begründung: Einerseits hätten die Verwaltungseinheiten bereits gut funktionierende Schutzkonzepte, andererseits gälten für die Bundesverwaltung als öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im Unterschied zur Privatwirtschaft höhere Hürden für eine Umsetzung der Zertifikatsprüfung.
Treibende Kraft: Schweizerischer Arbeitgeberverband
«Die Bundesverwaltung muss sich für die Bearbeitung der besonders schützenswerten Daten der Mitarbeitenden auf eine formelle Rechtsgrundlage stützen können. Die Covid-Verordnung genügt für die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber dafür nicht aus», so der Sprecher weiter.
Von den grossen Arbeitgebern scheint also keiner darauf erpicht zu sein, von den Mitarbeitern ein Covid-Zertifikat zu verlangen oder nach dem Impfstatus fragen zu können. Nur: Wieso hat der Bundesrat diese Möglichkeit dann überhaupt geschaffen?
Eine treibende Kraft hinter dem Entscheid war der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV). Dieser hat sich in den vergangenen Wochen für die Anpassung starkgemacht. SAV-Kommunikationschef Fredy Greuter begründet das so: «Der Arbeitgeberverband hat seine Position wie immer in enger Absprache mit seinen Mitgliedern definiert. Die Ausweitung des Covid-Zertifikats hat eine sehr klare Mehrheit der SAV-Mitglieder unterstützt.»
Das Interessante daran: Der Arbeitgeberverband besteht grossmehrheitlich aus Branchenverbänden. Die aber müssen sich nicht direkt mit Mitarbeitern herumschlagen, die eine Impfung ablehnen. Konzerne wie die Migros dagegen – immerhin grösste Arbeitgeberin des Landes – sind nicht Mitglieder des Arbeitgeberverbandes.