227'885 Menschen wurden in den vergangenen 24 Stunden in den USA positiv auf das Coronavirus getestet. In der Schweiz waren es 4832 – in vielen Deutschschweizer Kantonen steigen die Fälle wieder. Doch während die ganze Welt aufs Reisen verzichtet und zu Hause bleibt, scheinen für den US-Rapper Kanye West (43) andere Regeln zu gelten. Der ehemalige US-Präsidentschaftskandidat fliegt mit seinem Privatjet um die ganze Welt, um Architektur zu begutachten. Vergangene Woche reiste er dafür nach Graubünden.
Ziel seines Ausfluges: Das Büro des Bündner Architekten Valerio Olgiati (62). «Kanye West und ich stehen schon seit Monaten via Bildtelefonie und SMS in Kontakt», erklärte der Star-Architekt dem «Bündner Tagblatt». West habe ihn eines Tages kontaktiert und um ein Gespräch gebeten. «Es stellte sich heraus, dass er ein Fan meiner Arbeit ist und dass er mit mir zusammen die Welt um sich herum bauen möchte.»
Für US-Amerikaner gilt ein grundsätzliches Einreiseverbot
Eigentlich darf West aber nicht einfach aus Lust und Laune in die Schweiz einreisen. Obwohl die Quarantänepflicht für Einreisende aus den USA erst ab dem 14. Dezember wieder gilt, ist ein Einreiseverbot für Drittstaatsangehörige ohne Schweizer Aufenthaltsbewilligung oder Visum bei Kurzaufenthalten in Kraft – auch für die USA.
So müsste sich Kanye West «in einer Situation der äussersten Notwendigkeit befinden und daher zwingend auf eine Einreise in die Schweiz angewiesen» sein, heisst es in der Weisung des Staatssekretariats für Migration (SEM) vom 9. November. Die Einreise kann von der Grenzkontrolle unter besonderen Umständen gewährt werden. Beispielsweise bei einem Todesfall von Familienangehörigen in der Schweiz, zum Besuch der engsten Verwandten oder zur «Wahrnehmung von gerichtlichen oder nicht aufschiebbaren geschäftlichen Terminen», die «eine persönliche Anwesenheit erfordern».
Dass dieser Passus zur Anwendung gekommen sei, hält auch Daniel Bach, Leiter Stabsbereich Information und Kommunikation beim EJPD, für möglich. Dies aber, ohne den spezifischen Fall zu kennen. Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes kann er zum spezifischen Fall keine Auskunft geben, wie er auf BLICK-Anfrage schreibt.
Bach weiter: «Ob die Person letztlich über eine Schengenaussengrenze (Flughafen) in die Schweiz einreisen kann, obliegt den Grenzkontrollbehörden. Sie prüfen, ob die genannten Bedingungen im Einzelfall erfüllt sind.»
Im Fall Kanye ist die zuständige Behörde die Kantonspolizei Zürich – die Kapo regelt die Grenzkontrolle am Flughafen Zürich. Sprecher Florian Frei sagt auf BLICK-Anfrage, dass Kanye West ein «Gesuch um Bewilligung zur Einreise in die Schweiz» eingereicht habe. Nach entsprechender Prüfung des Gesuchs sei dem US-Rapstar die Einreise – gestützt auf die SEM-Weisung – genehmigt worden. Welcher Punkt der Weisung auf Kanye West angewendet wurde, beantwortet die Kapo nicht.
Singstunde bei Linard Bardill, Dinner im Restaurant
Letzten Freitag sei West mit dem Privatjet nach Zürich gereist. In Flims GR, wo West auch nächtigte, hätten sich der Architekt und der Musiker zum ersten Mal getroffen. «Ich hatte mit Kanye West sofort eine sehr echte und verbindliche Beziehung», verriet Olgiati.
Gemeinsam schauten sie sich sechs Häuser von Olgiati an, darunter das Atelier des Liedermachers Linard Bardill (64) in Scharans, das Gelbe Haus in Flims und das Plantahof-Auditorium in Landquart. Das Plantahof-Gebäude habe West besonders gut gefallen. Dort hat West zusammen mit Bardill etwa ein Brettspiele gespielt – und gar ein Lied zusammen gesungen, berichtet «20 Minuten». Dabei werden beim Singen besonders viele Aerosole und Tröpfchen ausgestossen, was zu einem erhöhten Infektionsrisiko führt. Sieht so eine «Situation der äussersten Notwendigkeit» aus?
Auf dem Plan stand am Samstagabend ein Essen in Ilanz GR: In einem Traditionshaus mit 15 Gault-Millau-Punkten haben die beiden diniert. «Heute hat Kanye West das Casa Casutt besucht. Vielen Dank für den Besuch», schrieben die Wirte stolz auf Instagram. «Es waren fünf Bodyguards vor Ort», erklärt die Geschäftsführerin des Lokals, Therese Arpagaus, gegenüber «20 Minuten». Ein Bodyguard habe betont, wie ruhig die Arbeit im kleinen Bündner Ort sei. Er fand es sehr angenehm. In den USA sei die Arbeit nicht so entspannt, habe er zu ihr gesagt.
Graubünden verhängt Mini-Lockdown
Während des Abendessens gab es ein Fotoverbot, Auskunft, was Kanye West gegessen hat, darf die Wirtin nicht geben. Obwohl das Restaurant voll war, wurde der Weltstar nicht erkannt. «Ich nehme an, dass unsere Kundschaft Kanye West nicht kennt», meint Arpagaus. Ihr Mann, der Inhaber des Restaurants, habe sich bei den bekannten Gästen erkundet, wie das Essen war. «Kanye West sagte meinem Mann persönlich, dass er das Essen sehr gut gefunden habe.» Am Sonntag reiste West schliesslich ab.
Mittlerweile hat der Kanton Graubünden wegen der Corona-Fallzahlen am Freitag auch alle Restaurants für zwei Wochen geschlossen. «Die Lage hat sich verschärft», sagte Regierungspräsident Christian Rathgeb an der Medienkonferenz. Die Zahl der Todesfälle im Kanton hat sich verdoppelt. Grösste Sorge bereiten überfüllte Spitäler. Auch dies scheint West nicht zu kümmern. (imh/szm/lrn)
Mehr zu Kanye West
Während des Treffens, das ein ganzes Wochenende lang dauerte, besprachen Kanye West und Olgiati künftige Projekte. So will der Amerikaner ein 4000 Quadratmeter grosses Privathaus im US-Bundesstaat Wyoming bauen. Es soll gemäss dem Architekten zehn Meter unter der Erde entstehen und wie eine prähistorische Stätte wirken. Inmitten des Gebäudes möchte der Rapper einen runden Hof mit 100 Meter Durchmesser errichten, indem exotische Pflanzen wachsen sollen.
Zusätzlich soll der Bündner ein Privathaus und eine Privatschule für 100 Kinder in Los Angeles errichten. In der Nähe von Atlanta im US-Bundesstaat Georgia möchte West zudem ein Quartier mit 500 Häusern, einem Stadion, einem Museum, einer Kirche und einem Waisenhaus auf die Beine stellen. «Er möchte dort mit mir eine kleine Stadt bauen», so Olgiati. West hätte noch weitere Ideen. «Doch ich weiss nicht, wie ich das machen kann», sagt er zu den Vorhaben. «Mein Wunsch ist es, all meinen Projekten sehr nahe zu sein, und es reizt mich nicht, mein Architekturbüro zu vergrössern.»
Als Nächstes soll Olgiati den Musiker in seiner Heimat besuchen und das Bauland in Wyoming begutachten. Dann kann die Zusammenarbeit richtig starten.
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