Neuer Antisemitismus-Vorfall
Zwei Männer attackieren einen Juden in Davos

Ein Jude wurde in Davos GR angegriffen. Er hat Anzeige erstattet. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund registriert in letzter Zeit einen massiven Anstieg solcher Vorfälle.
Publiziert: 27.08.2024 um 09:54 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2024 um 10:08 Uhr
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In Davos wurde ein jüdischer Gast tätlich angegriffen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Antisemitischer Vorfall in Davos: Jüdischer Gast geschlagen und beleidigt
  • SIG-Generalsekretär sagt: Lage derzeit überall kritisch
  • Antisemitische Vorfälle haben sich im letzten Jahr verzehnfacht
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Marian NadlerRedaktor News

Ein neuer antisemitischer Vorfall überschattet die Feriendestination Davos GR. Ein jüdischer Gast (19) hat Anzeige erstattet, nachdem er offenbar von zwei Männern geschlagen und beleidigt wurde. Laut dem Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Jonathan Kreutner, ist die Sicherheitslage für jüdische Menschen derzeit überall kritisch.

Der Vorfall ereignete sich gemäss Aussagen des Betroffenen in der Nacht auf Freitag. Kreutner traf den jungen Mann am Montag, wie er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Davos sagte. Solche Tätlichkeiten gegen Jüdinnen und Juden hätten sich im letzten Jahr verzehnfacht.

Die Kantonspolizei Graubünden bestätigte auf Anfrage den gemeldeten Vorfall. Solche würden aber «gerade im Ausgang» oft vorkommen, sagte eine Sprecherin zu Keystone-SDA. Der Unterschied hier sei einzig, dass das mutmassliche Opfer jüdisch sei. Ermittlungen würden aber laufen.

Für den SIG-Generalsekretär sind solche Vorfälle Warnrufe und sie sollten Sicherheitsdispositive beeinflussen. In grossen Städten sei dies bereits der Fall. Der SIG steht dazu in stetigem Austausch mit Behördenvertretern.

Kreutner besucht Davos GR

Dass sich wieder ein Vorfall in Davos zugetragen habe, sei Tatsache so Kreutner weiter. Doch dieses Mal stehe er wohl in einem anderem Kontext. So scheine der Nahostkonflikt Auslöser gewesen zu sein.

In der Vergangenheit gab es allerdings immer wieder Konflikte zwischen jüdischen Gästen und der Davoser Bevölkerung. Zuletzt kam es im vergangenen Winter zu einem aufsehenerregenden Eklat, als ein Bergrestaurant jüdischen Gästen keine Schlitten mehr vermieten wollte. Der Pächter des Restaurants wurde schliesslich Ende Juli wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Zudem musste er eine Busse zahlen.

Kreutners Besuch vom Montag in Davos galt deshalb auch einem Dialog-Projekt. Seit 2019 gehen Mitarbeitende des SIG aktiv auf jüdische Gäste in der Feriendestination zu, um sie für die hiesigen Gepflogenheiten zu sensibilisieren.

Die Vermittelnden dieses Likrat Public-Teams verteilen Prospekte und Flugblätter. So steht darin beispielsweise, dass Schweizerinnen und Schweizer auch zu Fremden «Grüezi» sagen und Nahrungsaufnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gerne gesehen werde.

Kreutner machte sich am Montag ein Bild vor Ort und besuchte ein Mitglied des Likrat Public-Teams bei seiner Arbeit. Der Vermittler war bei der Bergstation Schatzalp stationiert. Zahlreiche jüdische Gäste in traditioneller Kleidung interessierten sich dort für eine Rodelbahn.

Stimmung am Berg ist gut

Ein Gast erzählte von einem Vorfall am Flughafen Zürich, wo ihm nachgerufen worden sei, man solle «alle Juden verbrennen». Kreutner zeigte sich nachdenklich, habe er doch diesen Vorfall noch nicht gekannt. Offenbar gebe es auch zahlreiche nicht gemeldete antisemitischen Vorfälle in der Schweiz, vor allem wenn sie ausländischen Juden widerfahren würden.

Doch die Stimmung am Berg war gut. So positiv, wie der Generalsekretär es selbst nicht erwartet hatte. Die jüdischen Gäste zeigten sich offen, freundlich und zuvorkommend. Einige Gäste aus Israel erkannten Kreutner und liessen sich Tipps für Wanderungen in den «wunderschönen Bergen» geben. «Beide Seiten sind sensibilisiert und geben sich erkenntlich Mühe», sagte Kreutner nach dem Besuch. «Das tut richtig gut zu sehen.»

Ein Gespräch mit einer Tourismus-Mitarbeiterin stimmte den Generalsekretär ebenfalls optimistisch. Heuer sei es viel besser, die Stimmung gut, berichtete die Frau. Dies liege auch an der geringeren Auslastung, erklärte Kreutner. Wegen des Nahostkonfliktes und des späten Datums eines jüdischen Fastentages seien in diesem Sommer offensichtlich weniger jüdische Gäste in Davos als im Vorjahr.

Dennoch hoffe er, man könne die positive Stimmung auch dem Likrat-Team zuschreiben. Während der Sommersaison stehen täglich zehn Vermittelnde an hochfrequentierten Orten im Einsatz.

Anlaufstelle für Gäste eingerichtet

Im Juli wurden zudem zehn Massnahmen aus einer extern geleiteten Tasforce, bestehend aus lokalen Tourismusvertretern und dem SIG, umgesetzt, die das Miteinander in Davos verbessern sollen. Unter anderem ist eine Anlaufstelle für die Gäste eingerichtet worden.

«Das Gefühl, dass man es nur gemeinsam zum Ziel schafft, ist auf beiden Seiten gereift», sagte Kreutner. Er sei sich aber auch bewusst, dass es schnell wieder umschlagen könne. Schliesslich könnten auch hundert Vermittler einen solchen Vorfall wie am vergangenen Freitag nicht verhindern. Mit solchen Präventionsprojekten sei die Weltpolitik nicht beeinflussbar.

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