Meldestelle der Stadt Zürich
Besorgt über antisemitische und radikalisierte Schüler

Nach einer Messerattacke auf einen orthodoxen Juden im März richtete Zürich eine Anlaufstelle für Schulen ein – mit beunruhigender Bilanz: 21 Fälle von Extremismus, Rassismus und religiösen Konflikten wurden bisher gemeldet.
Publiziert: 16.06.2024 um 09:41 Uhr
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Aktualisiert: 16.06.2024 um 10:41 Uhr
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Am 2. März 2024 hat ein 15-Jähriger in Zürich einen orthodoxen Juden niedergestochen.
Foto: BRK News
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Andreas SchmidInlandredaktor

Der Jugendliche verhält sich in der Schule eigenartig, er hat sich in kurzer Zeit enorm verändert. Das fällt seinen Bezugspersonen auf, sie sind so alarmiert, dass sie die Meldestelle der Stadt Zürich über den Radikalismus-Verdacht informieren. Der für die Schulen zuständige Stadtrat Filippo Leutenegger (71, FDP) schuf die Einrichtung vor drei Monaten, nachdem ein 15-Jähriger am 2. März mitten in Zürich einen 50-jährigen orthodoxen Juden niedergestochen hatte. Der eingebürgerte Schweizer tunesischer Herkunft sah sich als Angehöriger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), der er in sozialen Medien Treue geschworen hatte.

Die neue Meldestelle für Antisemitismus, Rassismus, interreligiöse Konflikte und Radikalisierung hat seit ihrem Bestehen von 21 Fällen Kenntnis erhalten. Dies sagt Marc Caprez, Sprecher von Leuteneggers Schuldepartement, auf Anfrage von Blick. Die meisten Meldungen beträfen Vorkommnisse im Zusammenhang mit Antisemitismus, acht Mal seien jüdische Schülerinnen oder Schüler verbal oder tätlich angegriffen worden, führt Caprez aus.

Antisemitische Parolen

Der Sprecher des Schuldepartements nennt ein typisches Beispiel: «Ein Vater meldete, dass eine Mädchengruppe einer jüdischen Schule beim Wechseln eines Gebäudes von anderen Jugendlichen mit antisemitischen Parolen bedacht wurde.» Die Mädchen seien mit judenfeindlichen, pro-palästinensischen Slogans beschimpft worden, sagt Caprez. In solchen Fällen – wenn es um Antisemitismus gehe – erfolge auch eine Meldung an den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund.

Meist setzt Schulpersonal die neue Stelle in Zürich in Kenntnis, wenn es Fälle von Rassismus oder problematische Radikalisierungstendenzen beobachtet. Aber auch Eltern und andere Privatpersonen wandten sich an die Einrichtung, die ebenfalls anonyme Meldungen entgegennimmt.

Sechs Fälle von Radikalisierung

Ein halbes Dutzend Mal meldeten in der Schulsozialarbeit Beschäftigte oder besorgte Lehrpersonen, dass sich Jugendliche radikalisiert hätten. Weil sie eine problematische Entwicklung befürchteten, seien die Bezugspersonen an die Meldestelle gelangt, sagt Caprez. Dort ergriffen die Verantwortlichen in Absprache mit anderen Fachstellen Massnahmen. «Bei Anzeichen von Radikalisierung ziehen sie beispielsweise einen Imam bei, der das Gespräch mit den Jugendlichen und ihrem Umfeld sucht.» Zusätzlich werde auch die Fachstelle Brückenbauer der Stadtpolizei konsultiert. Diese kümmert sich um interreligiösen Dialog, Integration und Gewaltprävention.

Zu den Fällen von Antisemitismus und Radikalisierungen kommen weiter vier Meldungen, die wegen interreligiöser Konflikte erstattet wurden. Die restlichen drei der 21 Hinweise betrafen rassistische Angriffe, die nicht gegen Juden gerichtet waren, sondern andere Gemeinschaften diskriminierten.

Schon lange existiert in Zürich eine Fachstelle für Gewaltprävention, die über heikle Entwicklungen an Schulen frühzeitig im Bild sein soll. Die im Nachgang zum Angriff auf den orthodoxen Juden neu errichtete Meldestelle für Antisemitismus und Radikalisierung erachtet Stadtrat Filippo Leutenegger als Mehrwert zur Prävention.

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