«Die Wände zittern»
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Ärger wegen Club in St. Moritz:«Die Wände zittern»

Nachtclub in St. Moritzer Wohnhaus lässt die Wände zittern – und das völlig legal
«Die ganze Nacht ist hier nur Bumbumbum!»

St. Moritz, die Alpenmetropole der Schönen und Reichen, ist auch ein Pilgerort für die Lauten: Ein Nachtclub mitten im Dorfzentrum raubt den Bewohnerinnen und Bewohnern den letzten Nerv. Club und Gemeinde beschwichtigen, die Anwohner gehen auf die Barrikaden.
Publiziert: 00:59 Uhr
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Um das mehrstöckige Haus links geht es: Das «Réduit» mitten im Dorfkern von St. Moritz.
Foto: Sandro Zulian

Auf einen Blick

  • Nachtclub in St. Moritz stört Anwohner mit lauter Musik
  • Betroffene klagen über Schlafmangel und gesundheitliche Probleme durch Bassvibrationen
  • Geschäftsführer des Nachtclubs: Alle Regularien werden eingehalten – die Gemeinde prüft das Vorgehen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandro ZulianReporter News

Die Bewohner der Wohnblocks «Au Réduit» in St. Moritz GR sind völlig übermüdet – und stinksauer. Denn seit Dezember schläft hier zwischen Donnerstag und Sonntag fast niemand mehr eine Nacht durch. Grund dafür ist der Nachtclub Sopravento im Keller des Wohnhauses, der im Dezember eröffnete. «Die ganze Nacht ist hier nur Bumbumbum!», sagt Maggie Duss (78). Und ihr Partner Padrout Raffainer (92) meint: «Die Wände zittern manchmal bis fünf Uhr morgens!»

Padrout Raffainer zeigt seine grossen Kopfhörer, die Abhilfe schaffen sollen. «Ich habe alles probiert, sogar mit diesen hier. Aber der Bass geht einfach durch.» 

Aufgeben und die Eigentumswohnung verlassen, das steht nicht zur Debatte. «Ich war hier der Hauswart, seit dieses Haus gebaut wurde. Das war 1971!», sagt Raffainer. Für die Zukunft wünschen sich die beiden nur eines, sagt Maggie Duss: «Einfach Ruhe. Fertig!» Padrout Raffainer fügt an: «Ich würde schon gerne mal wieder schlafen.»

«Wenn die Musik um fünf Uhr aufhört, muss ich zur Arbeit»

Tatsächlich: Morgens um 2.30 Uhr hört man die Musik deutlich im Haus, wie ein Besuch an einem Donnerstag zeigt. Die betonierte Treppe und der Liftschacht tragen den Bass aus dem Keller bis weit in die oberen Etagen. Die Musik im Club ist laut – auch wenn das Lokal fast leer ist. «Morgen sind wir voll», versichert der Türsteher beim Verlassen des Clubs.

Am nächsten Tag trifft Blick vor dem Haus auf Anastasia P.* (40). Ihren richtigen Namen möchte sie lieber nicht in der Zeitung lesen. Die Bewohnerin des «Au Réduit» arbeitet in einem Hotel und muss lachen, als sie auf den Lärm angesprochen wird: «Lustig, darüber habe ich jetzt gerade mit einem Freund gesprochen.»

Sie zeichnet genau das gleiche Bild wie das Seniorenpaar. «In der Nacht habe ich den Bass direkt hinter dem Kopf. Das gehört doch einfach nicht in ein Wohnhaus. Es ist respektlos», sagt Anastasia. Die Verzweiflung ist ihr anzuhören, als sie sagt: «Wenn die Musik um 5 Uhr aufhört, muss ich aufstehen und zur Arbeit.» Auch sie macht sich Sorgen um ihre Gesundheit – und will aktiv werden: «Wir sind jetzt daran, Unterschriften zu sammeln.»

«Uhuara Krach»

Blick spricht im Haus mit insgesamt einem Dutzend Mieterinnen und Mieter. Elf davon haben ein Problem mit der lauten Musik aus dem Keller. «Ich möchte nicht mit ihnen darüber sprechen. Ich spreche seit über zwei Wochen über nichts anderes. Das muss jetzt aufhören», sagt eine Frau. Eine andere sagt: «Es ist sehr mühsam. Wir wurden nicht informiert, und plötzlich ist hier ein ‹uhuara Krach›.» Auch sie will, dass es endlich leiser wird.

Monica (30) lebt im Parterre, nur einen Stock über dem Club: «Der Türrahmen zittert! Am Wochenende ist es eine Katastrophe!» Sie verstehe, dass St. Moritz ein Touristenort sei, aber der Lärm habe inakzeptable Zustände angenommen. «Es ist einfach wirklich, wirklich zu laut.»

Zurück zu Maggie Duss und Padrout Raffainer. Sie wurden mehrmals bei der Gemeinde vorstellig. «Doch sie haben uns ignoriert», sagt Duss. Erst ein eingeschriebener Brief sorgte für eine Antwort, eine ernüchternde: «Die Gemeinde klärt derzeit, ob ein Verfahren eingeleitet werden muss, in dessen Rahmen geprüft würde, ob die Belastungsgrenzwerte für Lärmimmissionen möglicherweise überschritten werden. Dies wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen.» Für Duss ist das zu wenig: «Müssen wir bis Ostern warten?»

Auf Anfrage von Blick heisst es bei der Gemeinde, dass man sich mit dem Thema beschäftige. Es würden Abklärungen getätigt. «In das Verfahren einbezogen werden der Betrieb und die davon Betroffenen. Mehr kann Ihnen die Gemeinde dazu nicht mitteilen», sagt Alexander Blöchlinger, Anwalt und Rechtskonsulent von St. Moritz in einer Stellungnahme. Es werde geprüft, ob baurechtliche Lärmschutzmassnahmen notwendig seien. Weitere Infos gibt es keine, so Blöchlinger: «Das gilt auch für Einzelheiten im Zusammenhang mit Einsätzen der Gemeindepolizei.» 

Der Geschäftsführer des Nachtclubs antwortet knapp: «Der Veranstaltungsort hält alle Genehmigungen und Schallpegel-Zertifizierungen ein, die einen Höchstwert von 98 Dezibel festlegen.» Die Räumlichkeiten seien mit modernsten, schalldämmenden Materialien ausgestattet. Und: «In der Satzung des Gebäudes war immer ein Club vorgesehen.» 

Für die Anwohnenden ein schwacher Trost. Denn für viele Menschen im Haus «Au Réduit» ist es jetzt alles andere als das, was der Name eigentlich verspricht: ein Rückzugsort. 

* Name geändert 

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