Heftige Niederschläge und Gewitter zogen am Freitagabend über den Kanton Graubünden. Im Bündner Südtal Misox löste sich eine Gerölllawine und rutschte den Hang hinunter ins Tal. Mit fatalen Folgen: Silvio T.* (†83) konnte nur noch tot geborgen werden, eine weitere Frau wurde aus dem Schutt gerettet. Zwei Personen werden nach wie vor vermisst. Mehrere Häuser wurden zerstört.
Doch wie konnte das alles nur passieren? Genau für solche Szenarien werden eigentlich sogenannte Gefahrenkarten angefertigt, die vorhersagen sollen, wo Murgänge, Überschwemmungen oder Erdrutsche Schäden anrichten könnten. Je höher die Gefahr, umso weniger darf in diesen Zonen gebaut werden.
Gefahrenkarte verzeichnete kein Risiko für Murgang
Das Verblüffende: Die zerstörten Häuser lagen laut Karte in keiner Gefahrenzone. Nur eine geringe Gefährdung für Überschwemmungen war für dieses Gebiet ausgesprochen worden, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) schreibt. Der Bergbach Riale Molera, der den gesamten Schutt mitgetragen hatte, verläuft normalerweise nördlich um den Weiler Sorte herum. Doch am Freitag bahnten sich die Massen einen anderen Weg, direkt ins Dorf. Dort mündete der Schlammstrom im Fluss Moesa.
«Der Kanal war wahrscheinlich viel zu klein für das Ereignis», sagt der Geologe Simon Löw, pensionierter Professor der ETH Zürich, zur «NZZ». Laut seinen Schätzungen muss sich das viele Geröll über Jahrhunderte in dem Bachbett angesammelt haben. Denn: Der Boden besteht an dieser Stelle aus Steinen, die nur langsam verwittern und zerbröckeln, so Löw weiter.
Feuchtes Frühjahr begünstigte den Erdrutsch
Christian Tognacca, Murgangspezialist vom Ingenieurbüro für Flussbau und Naturgefahren «beffa tognacca» im Tessin, erklärt der Zeitung, dass man auch die Vorgeschichte dieses Gebietes beachten müsse. Ein sehr feuchtes Frühjahr sorgte für bereits gesättigte Böden. Ein grosses Tal, in dem sich durch die heftigen Niederschläge viel Wasser sammeln konnte.
Die Schwerkraft zieht dabei die losen Steine, auch Sedimente genannt, den Hang hinunter. Doch die Reibung zwischen Boden und Stein kämpft dagegen an, sodass die Steine meist liegen bleiben. Wenn nun jedoch Wasser ins Spiel kommt, verringert sich diese Reibung zwischen Stein und Boden – die Sedimente geraten ins Rollen.