2017 kam es in der Bündner Gemeinde Bondo zu einem verhängnisvollen Bergsturz. Acht Menschen verloren ihr Leben. Nun hat die Bündner Staatsanwaltschaft laut einer Recherche des «Beobachters» Anklage gegen fünf Personen erhoben.
Sie sollen verantwortlich gewesen sein, keine Massnahmen zur Verhinderung der Todesfälle getroffen zu haben, heisst es in einer vom «Beobachter» verschickten Medienmitteilung. Die Anklageschrift werfe den Beschuldigten mehrfache fahrlässige Tötung vor. Unter den Beschuldigten befinden sich zwei Mitarbeiter des Amts für Wald und Naturgefahren (AWN) und ein externer Geologe. Das AWN hatte der Gemeinde knapp zehn Tage vor dem Bergsturz empfohlen, die Wanderwege offenzulassen.
Zudem sind zwei Vertreter der Gemeinde Bregaglia angeklagt, darunter die damalige Gemeindepräsidentin und heutige FDP-Nationalrätin Anna Giacometti (62).
War der Bergsturz vorhersehbar?
Nach dem Bergsturz stritten die Behörden ab, sich falsch verhalten zu haben. Das Verfahren wurde 2019 eingestellt. Ein unabhängiges Gutachten widersprach jedoch der Einschätzungen, dass der Bergsturz nicht vorhersehbar gewesen sei.
Der Bergsturz habe sich durch zahlreiche Vorboten angekündigt, heisst es im Gutachten. Deshalb hätten die Wanderwege gesperrt werden müssen.
Gutachten wird scharf kritisiert
In der Anklageschrift stützt sich die Staatsanwaltschaft laut dem Beobachter auf dieses Gutachten. Die Angeklagten hätten pflichtwidrig eine falsche Einschätzung der Gefahrenlage vorgenommen. Mit einer vorsorglichen Sperrung der Wege wäre der Tod der Berggänger mit grösster Wahrscheinlichkeit vermieden worden.
Die Vertreter des AWN und der vom Kanton beauftragte Geologe kritisieren das Gutachten scharf, wie es in der Medienmitteilung weiter heisst. Auf einem solchen Wanderweg gelte ein hohes Mass an Eigenverantwortung, und die Grenze zum inakzeptablen Risiko sei nicht überschritten gewesen, so die Vertreter. Auch gehen die Meinungen darüber auseinander, was als Vorbote des Bergsturzes zu werten ist und was nicht.
Nun muss das Regionalgericht Maloja laut den Recherchen entscheiden, ob jemanden eine Schuld trifft oder niemand einen strafrechtlich relevanten Fehler gemacht hat. Bei einer fahrlässigen Tötung drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.