Hier werden die ersten Tiere von Gian Lieschs Hof abtransportiert
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Schweine, Hasen und Co.Erste Tiere werden von Gian Lieschs Hof abtransportiert

Bauer Gian Liesch (38) ist doppelt von der Evakuierung in Brienz GR betroffen
«Es ist das Schlimmste, dass man mich von meinen Tieren trennt»

In Brienz GR bewegt sich der Berg. Die Menschen müssen bis am Freitag weg sein. Und auch das Vieh ist betroffen. Bauer Gian Liesch ist traurig: «Der tägliche Kontakt zu meinen Tieren wird mir fehlen.»
Publiziert: 11.05.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2023 um 14:31 Uhr
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Am Dienstag entschieden die Behörden, das Dorf Brienz in der Gemeinde Albula GR zu evakuieren. Zwei Millionen Kubikmeter Fels drohen, in die Tiefe zu rutschen.
Foto: Philippe Rossier

Nicht nur Menschen müssen Brienz in der Gemeinde Albula GR verlassen. Auch die Tiere dürfen nicht bleiben. Zu gross die Gefahr. Der Berg bewegt sich. Am Dienstag entschied die Gemeinde, das Dorf zu evakuieren. Zwei Millionen Kubikmeter Fels drohen, in die Tiefe zu rutschen.

Einer, der doppelt betroffen ist, ist Gian Liesch (38). Seine Familie lebt mit Dutzenden Tieren im Krisendorf: 36 Kühen, 16 halbwüchsigen Rindern und 13 Kälbern. Dazu nennt der Bündner Hasen, Meerschweinchen, Hühner und Zwergschweine sein Eigen. «Die Kleintiere haben wir schon ausquartiert», sagt der Landwirt am Mittwoch zu Blick.

Auch für sich, seine Frau Marcellina (46) und die drei Kinder Noah (11), Mauro (10) und Sarina (7) gibt es eine Lösung: «Wir haben im Dorf Mon eine Wohnung gekriegt. Dort bleiben wir vorübergehend.» Aber: «Ich hoffe, das Zeugs rutscht jetzt bald runter. Dann können wir Brienzer wieder zurück.»

«Meine Rinder verhalten sich komisch»

Lange unklar war die Situation für Lieschs insgesamt 65 Rindern. «Die 16 Halbwüchsigen sind schon in Alvaschein. Die Mutterkühe gehen auch dorthin. Die Milchkühe bringen wir in Cazis unter, die Kälber in Alvaneu.»

Am Mittwoch aber ist ein Grossteil der Rinder noch in Brienz. «Ich merke, dass mit ihnen zurzeit etwas nicht stimmt. Sie verhalten sich komisch», sagt Liesch. «Doch ich weiss nicht, ob es an der Evakuierung, am Wetter oder an sonst was liegt.» Liesch versucht, ruhig zu bleiben. «Wäre ich nervös, würden die Tiere das spüren.»

Wann genau die Rinder wegmüssen, weiss Liesch am frühen Mittwochnachmittag noch nicht. Aber: «Ich habe das Gefühl, schon dieses Wochenende melke ich meine Kühe nicht mehr hier.»

Wenig später spricht Blick erneut mit Liesch. Siehe da: Sein Gefühl hat sich bewahrheitet. Er sagt: «Ich habe soeben mit dem Gemeindepräsidenten telefoniert. Er sagte mir, dass wir auch die restlichen Rinder bis am Freitagabend evakuieren müssen.»

Zwergschwein will nicht von Brienz weg

Ebenfalls nicht bleiben können Lieschs Schweine. Ein befreundeter Bauer aus Stierva holt die wolligen, vierbeinigen Kugeln am Mittwochnachmittag ab. Das erste Minipig ist schon im Wagen, das zweite ziert sich. Liesch und der Freund helfen nach. Das Tier grunzt und quietscht. Es will bleiben. Schliesslich trottet das Schwein in den Anhänger.

Liesch lässt sich nichts anmerken. Doch er leidet: «Es ist das Schlimmste, dass man mich von meinen Tieren trennt.» Dass die Behörden Menschen evakuieren, vertrage er gut. «Aber, dass auch Tiere betroffen sind, tut mir weh. Der tägliche Kontakt wird mir fehlen.»

Denn dieser Kontakt sei sehr persönlich, sagt Liesch: «Besonders bei den Milchkühen. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen. Wir haben ein vertrautes Verhältnis.» Er hält inne. Und streichelt seine Milchkuh Anastacia (6). «Ich werde es vermissen, meine Tiere um mich zu haben – es wird schlicht nicht mehr das Gleiche sein.»

So schnell bewegt sich der Hang in Brienz GR
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Zeitraffer-Video zeigt:So schnell bewegt sich der Hang in Brienz GR

«Brienz sitzt auf grossem Schiefer-Surfbrett»

Dass in Brienz nichts mehr wie zuvor ist, zeigt auch die Ortsschau am Mittwochnachmittag. Die beiden Krisenexperten Christian Gartmann und Stefan Schneider erklären der anwesenden Weltpresse die Ausnahmesituation.

Schneider, Geologe und Leiter Frühwarndienst, sagt: «Brienz sitzt wie auf einem grossen Surfbrett aus Schiefer, das auf einer Gleitschicht in 150 Metern Tiefe mit einem Meter pro Jahr rutscht. Die Verformungen an der Oberfläche kommen von den unregelmässigen Bewegungen an den Bruchstellen im Schiefer.» Und: «Mit einem Tunnel entwässern wir die Gleitschicht. Wir hoffen so, die Bewegung zu bremsen.»

Derweil erklärt Gartmann vom Führungsstab der Gemeinde die einzelnen Gefahren-Stufen. Momentan befinde man sich in der orangen Phase. Bis am Freitagabend müssen Mensch und Tier das Dorf verlassen. «Tagsüber können die Bewohner stundenweise in ihre Häuser zurück. Steht das Ereignis noch drei bis zehn Tage aus, wechseln wir in die rote Phase. Dann darf niemand mehr in das Dorf zurück.» Und: «Wenn das Ereignis dann unmittelbar bevorsteht, gehen wir in die Phase blau. Dann werden wir ein grösseres Gebiet und damit auch die Landwasserstrasse, die Albulalinie der Rhätischen Bahn und einen Teil der Kantonsstrasse Tiefencastel-Lenzerheide sperren. Das wird dann auf den ganzen Kanton Auswirkungen haben.»

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