Gitarrist trägt Dreadlocks
Droht jetzt auch Stahlberger ein Konzertabbruch?

Die bekannte St. Galler Band geht mit neuem Album auf Tour. An der Gitarre: ein Musiker mit Rasta-Frisur. Dabei machen Stahlberger auch halt in Clubs, die kulturelle Aneignung ablehnen.
Publiziert: 02.03.2025 um 13:38 Uhr
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Michael Gallusser (2. v. r.), Gitarrist bei Stahlberger, trägt seit vielen Jahren Dreadlocks.
Foto: Claudia Gschwend

Auf einen Blick

  • Stahlberger-Gitarrist trägt Dreadlocks – wiederholt sich die Lauwarm-Posse?
  • Bad Bonn Club betont Wichtigkeit von Respekt und Dialog
  • Stahlberger treten am 24. April im Bad Bonn und am 9. Mai in Bern auf
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Peter AeschlimannRedaktor

Im Sommer 2022 redete die halbe Schweiz über eine Band, deren Lieder kaum jemand jemals gehört hatte. Der Reggae-Kombo Lauwarm wurde an einem Gig in der Brasserie Lorraine in Bern der Stecker gezogen, nachdem sich einige Konzertbesucher «unwohl» gefühlt hatten ob dem Look der Jungs: bunte afrikanische Kleider und Dreadlocks. Im Raum stand der Vorwurf der kulturellen Aneignung: Privilegierte weisse Männer übernehmen Elemente unterdrückter Kulturen, um daraus Profit zu schlagen.

In diesem Frühling geht nun eine Band auf Tour, die wesentlich bekannter ist als Lauwarm: Die St. Galler Musikgruppe Stahlberger präsentiert ihr neues Album «Immer dur Nächt» auf zahlreichen Schweizer Bühnen. Sänger Manuel Stahlberger ist Träger des Salzburger Stiers, eines renommierten Kulturpreises. Und der Gitarrist der Band, Michael Gallusser, trägt seit Jahren Dreadlocks. Wiederholt sich nun die Geschichte?

Band wehrt sich

Rückblende: Als die Kontroverse um Lauwarm entbrannte, äusserte sich auch eine Sprecherin des Clubs Bad Bonn in Düdingen FR dazu. Kulturelle Aneignung sei eine Form der Diskriminierung, sagte sie. «Wenn sich jemand verletzt fühlt, muss man dies ernst nehmen.» Zu einem Konzertabbruch könne es auch im Bad Bonn kommen.

Am 24. April treten Stahlberger just in diesem Club auf. Die Frage, ob man sich vor einem Konzertabbruch fürchte, will die Band gegenüber Blick nicht beantworten. Via Management lässt sie lediglich ausrichten, dass Popkultur von Zitaten lebe und gegenseitiger Inspiration. Man sehe es wie die deutsche Journalistin Kerstin Decker, die einmal festhielt: «Kulturelle Aneignung bedeutet, sich Fremdes vertraut zu machen.»

Hochgekochte Debatte

Vor zwei Wochen folgte der vorerst letzte Akt in der Sommerposse um Lauwarm. Ein Gericht sprach die Brasserie Lorraine frei. Der Konzertabbruch sei kein Fall von Rassendiskriminierung gewesen. Geklagt hatte – ausgerechnet – die Junge SVP.

Ist damit auch die Diskussion um kulturelle Aneignung gegessen?

Das sei sie nicht, sagt Daniel Fontana, seit 35 Jahren Programmchef im Bad Bonn und stets darum bemüht, dass sich in Düdingen alle Besuchenden wohlfühlen. «Die Debatte wurde bei uns bloss nicht so hochgekocht wie in gewissen Medien.»

Kulturelle Aneignung bleibe aber ein Problem. Es sei beschämend, so der Kulturveranstalter, dass eine dunkelhäutige Person mit Dreadlocks eher in eine Polizeikontrolle gerate als ein Weisser mit gleicher Frisur. Es gehe darum, dass man sich Gedanken mache über seinen Look und sich respektvoll mit anderen Kulturen auseinandersetze. Beim Stahlberger-Gitarristen sei dies klar der Fall, sagt Fontana. Falls sich am Konzert jemand im Publikum unwohl fühlen sollte, würde die Band die Person in den Backstage-Bereich einladen zu einem Gespräch. «Wir hören zu und wollen die Gründe kennen.»

Ein paar Wochen nach ihrem Düdingen-Auftritt bespielen Stahlberger den Dachstock der Reitschule in Bern. Auch die dortigen Betreiber nehmen kulturelle Aneignung sehr ernst. Im Awareness-Konzept heisst es: «Wenn du dich unwohl fühlst oder eine seltsame Situation beobachtest, kannst du dich jederzeit an das Reitschule-Team wenden.» Fragen von Blick zum Stahlberger-Konzert am 9. Mai und zu möglichen Konsequenzen bei Unwohlsein-Attacken seitens Gäste blieben unbeantwortet.

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