Genfer Profis vermitteln zwischen verfeindeten Gruppen
Bund holt Hilfe gegen Eritreer-Gewalt

Eine Organisation, die sonst mit Kriegsparteien verhandelt, soll rivalisierende Eritreer in der Schweiz an einen Tisch bringen. Kann das klappen?
Publiziert: 08:48 Uhr
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Aktualisiert: 09:41 Uhr
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Eritreische Flüchtlinge bei Auseinandersetzungen in Zürich am 2. September 2023.
Foto: Raphael Rohner/St. Galler Tagblatt

Auf einen Blick

  • Zwischen Anhängern und Gegnern der Militärdiktatur kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen
  • Jetzt soll das Zentrum für humanitären Dialog zwischen den verfeindeten Gruppen vermitteln
  • Die eritreische Gemeinschaft begrüsst die Initiative, ist aber skeptisch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Wieder Verletzte, wieder Verhaftungen! Am Samstag vor einer Woche löste die Polizei in Burgdorf BE erneut eine Party von regimetreuen Eritreern auf. Auch Widersacher des Machthabers Isayas Afewerki (78) waren angereist. Die verfeindeten Gruppen gingen aufeinander los.

Unterstützer und Gegner der Militärdiktatur am Horn von Afrika liefern sich seit Jahren Auseinandersetzungen auf Schweizer Strassen. Ebenso lang versuchen die Behörden schon, die Gewalt in den Griff zu bekommen – bisher ohne Erfolg.

An der Auflösung der ETA beteiligt

Jetzt sollen Konfliktexperten dabei helfen: Der Bund hat das Genfer Zentrum für humanitären Dialog beauftragt, zwischen den verfeindeten Gruppen zu vermitteln. Die renommierte Organisation ist darauf spezialisiert, Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen: in Syrien, Libyen oder der Ukraine. 2018 war sie massgeblich an der Auflösung der baskischen Untergrund-Organisation ETA beteiligt.

Das vom Bund mitfinanzierte Zentrum soll die Spannungen in der Schweizer Community von Exil-Eritreern deeskalieren. Koordinator des Projekts ist Martin von Muralt, Delegierter des Sicherheitsverbunds Schweiz (SVS), der auch die «Strategische Begleitgruppe Eritrea» leitet, eine Taskforce des Bundes, die an Massnahmen «zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit» arbeitet.

Von Muralt bestätigt gegenüber Blick: «Kantone und Bund haben das Zentrum für humanitären Dialog beauftragt, Kontakt zu verschiedenen eritreischen Diasporagruppen aufzunehmen.» Ziel sei es, Gewalt zu verhindern – durch Dialog. Laut von Muralt haben erste Gespräche bereits stattgefunden. Das Projekt sei herausfordernd, denn auch innerhalb der Gruppierungen selbst gebe es unterschiedliche Auffassungen.

Wasserwerfer und Tränengas

Klar ist: In der eritreischen Gemeinschaft brodelt es weiter. Die Auseinandersetzungen in Burgdorf vor einer Woche waren nur die jüngsten in einer Reihe von Vorfällen. Zuletzt kam es im Frühjahr zu Krawallen in Gerlafingen SO. 200 Regimegegner attackierten ein Fest von Anhängern Afewerkis. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, es gab Verletzte auf beiden Seiten.

Christine Schraner Burgener (60), abtretende Chefin des Staatssekretariats für Migration (SEM), sagte im Interview mit Blick: «Eritrea ist eines der Themen, die mich am meisten herausfordern.» Dies auch, weil das afrikanische Land keine Landsleute zurücknimmt. Gewalttätige Eritreer können somit nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Skepsis unter Eritreern

Gibt es nun also bald einen runden Tisch mit Anhängern und Gegnern der Militärdiktatur? Viele Eritreer begrüssen die Initiative des Bundes zwar, bleiben aber skeptisch. Samson Yemane, Co-Präsident des Eritreischen Medienbunds Schweiz, findet die Pläne «durchaus sinnvoll». In einer demokratischen Gesellschaft sei es entscheidend, «den Dialog zu fördern, um Spannungen abzubauen».

Yemane kritisiert die hiesigen Behörden aber auch: «Die eritreischen Oppositionellen sehnen sich danach, endlich von der Schweiz gehört und ernst genommen zu werden.» In den letzten zwei Jahrzehnten hätten sich die Regimekritiker, zu denen auch der Eritreische Medienbund gehört, stets bemüht, auf Menschenrechtsverletzungen in Eritrea und auf die Unterdrückung der Diaspora in der Schweiz aufmerksam zu machen. «Sie stiessen aber immer wieder auf taube Ohren.» Das Gefühl, von den Schweizer Institutionen ignoriert zu werden, führe zu Frust, Resignation und schwindendem konstruktivem Engagement.

Klima der Angst

Ein weiteres Hindernis für das friedliche Zusammenleben der Eritreer in der Schweiz ist laut dem Co-Präsidenten des Medienbunds die Haltung ihrer Botschaft in Bern. «Sie fungiert als Organ der brutalen eritreischen Diktatur und treibt mit einer Zwangssteuer auf das Einkommen vieler Exilanten Gelder ein, um das Regime zu finanzieren», sagt Yemane. Unter Oppositionellen in der Schweiz herrsche ein Klima der Angst. Ein Vertrauensverhältnis zu den eritreischen Behörden oder den Anhängern der Diktatur aufzubauen, sei daher sehr schwierig.

Die eritreische Botschaft in Bern streitet die Vorwürfe ab. Die Anschuldigungen seien «absurd». Zur Initiative des Bundes schreibt die Botschaft: «Sie ist fehl am Platz.» Man sei bisher gar nicht kontaktiert worden.

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