Blaue Revolution auf dem Bundesplatz: Mehr als Tausend Regimegegner aus Eritrea demonstrierten gestern in Bern. «Stoppt den Diktator!» skandierten die Aktivisten der Bewegung «Blue Revolution» und forderten die Schweiz auf, Propagandaanlässe von Anhängern der Diktatur am Horn von Afrika zu verbieten.
Die Polizei schützte den Aufmarsch mit einem Grossaufgebot. Denn in der eritreischen Gemeinschaft brodelt es: In letzter Zeit gingen mehrmals verfeindete politische Gruppen aufeinander los, zuletzt in Gerlafingen SO, wo im vergangenen April rund 200 Regimegegner ein Fest von Anhängern des eritreischen Machthabers Isayas Afewerki attackierten. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, es gab Verletzte auf allen Seiten.
Bundesräte involviert
Hinter den Kulissen arbeiten die Behörden mit Hochdruck daran, die Lage zu entschärfen. Involviert sind auch Bundespräsidentin Viola Amherd (62) und Asylminister Beat Jans (59).
Der Bund hat eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel eingesetzt, weitere Ausschreitungen zu verhindern. Die «Strategische Begleitgruppe Eritrea», wie die neue Taskforce behördenintern genannt wird, soll Massnahmen «zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit» koordinieren.
Angesiedelt ist die Arbeitsgruppe beim Sicherheitsverbund Schweiz (SVS), der Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Kantone und Gemeinden zusammenbringt. Geleitet wird die Taskforce vom SVS-Delegierten Martin von Muralt (49). Er bestätigt: «Die Arbeiten laufen.» Die Begleitgruppe werde erstmals im Juli tagen – unter Einbezug aller staatlichen Akteure.
Laut von Muralt liegt bereits ein Massnahmenkatalog vor, der laufend ergänzt wird, aber aus «strategischen Gründen» vertraulich bleibt. Laut Insidern handelt es sich um eine Mischung aus Prävention und Repression.
«Die Behörden von Bund und Kantonen arbeiten eng zusammen, um Gewalt zu verhindern und Straftäter zur Rechenschaft zu ziehen», betont von Muralt. Dabei müsse jedoch die Versammlungsfreiheit gewährleistet bleiben.
Krawalle wegen Festival
Die eritreische Diaspora ist tief gespalten. Weltweit kommt es immer wieder zu Krawallen zwischen Regierungstreuen und Oppositionellen. Die Gewalt entzündet sich meist rund um sogenannte Unabhängigkeitsfestivals von Unterstützern des diktatorischen Regimes in der Hauptstadt Asmara. Oppositionelle, die ins Ausland geflohen sind, empfinden die Festivals als Affront. Viele von ihnen fühlen sich auch in Europa verfolgt und bespitzelt.
«Eritrea ist eines der Themen, die mich am meisten herausfordern», sagt denn auch Christine Schraner Burgener (60), Leiterin des Staatssekretariats für Migration (SEM) im Interview mit Blick. «Den beiden rivalisierenden Gruppen haben wir klar gesagt, dass wir auf Schweizer Boden keine gewalttätigen Konflikte tolerieren.» Das habe sie auch dem eritreischen Botschafter «deutlich mitgeteilt».
Eritrea nimmt keine Landsleute zurück
Was können die Behörden darüber hinaus tun? Möglich wäre es, gewalttätigen Eritreern den Flüchtlingsstatus zu verweigern oder abzuerkennen. Dies erlaubt das Asylgesetz, etwa dann, wenn die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet ist. Tatsächlich fasst der Bund diese Option auch ins Auge. Da Eritrea jedoch die Zusammenarbeit mit der Schweiz verweigert, können Betroffene selbst dann kaum zurückgeschafft werden.
Die Behörden wollen aber auch auf Dialog setzen, wie interne Dokumente zeigen. Der Sicherheitsverbund strebt einen runden Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern der rivalisierenden Eritreer-Gruppen an. Noch sei diesbezüglich nichts spruchreif, sagt von Muralt, bestätigt aber: «Der geeignete Einbezug der eritreischen Gruppierungen ist Teil des Mandats der strategischen Begleitgruppe.»
«Das ist nicht realistisch»
Angehörige der eritreischen Diaspora reagieren mit Skepsis auf diese Vorstellungen. Ein Anführer der Regimekritiker zeigt sich gegenüber Blick zwar grundsätzlich bereit für einen Dialog, schätzt aber die Chancen, den Konflikt durch einen runden Tisch zu lösen, als verschwindend klein ein: «Das ist schlicht nicht realistisch.» Die Behörden sollen zuerst konsequent gegen Propagandisten des Regimes vorgehen und deren Veranstaltungen verbieten.