Es war ein grosser Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Vor 50 Jahren wurde in der Schweiz das Frauenwahlrecht eingeführt. Per Abstimmung bekamen die Frauen endlich das Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer Ebene. Ein historischer Moment. Grund genug für alt Nationalrätin Cécile Bühlmann (71) und Anna-Béatrice Schmaltz (28) vom Frauenstreik-Kollektiv Zürich, die vergangenen Jahre noch einmal Revue passieren zu lassen und einen Blick in die Zukunft zu wagen.
Für das Gespräch treffen sich die beiden Frauen nicht irgendwo, sondern in Luzern – mitten auf der geschichtsträchtigen Kapellbrücke. Ein Wahrzeichen der Schweiz. 650 Jahre alt, 205 Meter lang.
50 Jahre Frauenwahlrecht ist eine beschämend kurze Zeit
Das Gespräch kommt gleich nach den ersten gemeinsamen Schritten in Gang. «Ich wäre viel stolzer, wenn ich sagen könnte, dass wir das Wahlrecht schon seit 100 Jahren haben. Wenn man sich die demokratische Geschichte der Schweiz anschaut, sind 50 Jahre eine beschämend kurze Zeit», sagt Cécile Bühlmann.
Sie habe lange den Eindruck gehabt, dass es kaum etwas auslöse, wenn sie darüber spreche, dass die Schweiz das Frauenwahlrecht erst 1971 eingeführt habe. Viele hätten mit Schulterzucken reagiert. Daher sei sie froh, dass das Frauenwahlrecht mit dem Jubiläum nun thematisiert werde.
Anna-Béatrice Schmaltz nickt zustimmend. «Absolut. 50 Jahre sind einfach viel zu kurz. Und ich finde es krass, dass im Geschichtsunterricht immer von der Demokratie Schweiz gesprochen wird. Dabei ist die Schweiz erst seit 50 Jahren eine Demokratie», sagt die 28-Jährige.
Wichtig war das Gefühl zu wissen, dass man nicht allein ist
Trotz der Widerstände und Kämpfe, Cécile Bühlmann würde nicht mit der jungen Generation tauschen wollen. Natürlich hätten die jungen Frauen heute mehr Möglichkeiten als damals. Aber: «Ich habe meine Geschichte. Mein Kampf hat mir Energie gegeben und Türen geöffnet. Das hat meinem Leben Sinn gegeben», sagt sie.
Auch Schmaltz würde nicht tauschen wollen. Denn sie könne jetzt dort weitermachen, wo Vorkämpferinnen bereits vieles geleistet hätten. «Dafür bin ich sehr dankbar. Auch weil man nicht das Gefühl habe, allein zu sein. Für mich war die Erkenntnis wichtig zu wissen, dass die Diskriminierung von Frauen ein gesellschaftliches Problem ist.»
«Es gibt auch noch eine Menge zu tun»
Das Gefühl kennt Bühlmann. Am Anfang habe sie gedacht, dass mit ihr etwas nicht stimme, weil sie unglücklich war mit der damaligen Situation, während es für alle anderen offenbar total in Ordnung gewesen sei. Doch das war es eben nicht.
Daher sei die Einführung des Frauenwahlrechts auch ein Akt der Befreiung. Zusammen mit dem Engagement der Frauenbewegung habe sie endlich die Welt nach ihren Vorstellungen mitgestalten können. «Das ist etwas, was Frauen von heute von Anfang an machen können. Und es gibt auch noch eine Menge zu tun», so Bühlmann.
«In zehn Jahren werden wir keine Gleichstellung in der Schweiz haben»
Gleichberechtigung, Gleichstellung. Da sei noch längst nicht alles erreicht. Da gebe es immer noch viele Missstände. Das findet auch Schmaltz. «Die stereotypen Rollenbilder gibt es immer noch. Das 50-Jahr-Jubiläum ist daher ein guter Anlass, weitere Forderungen zu stellen.» Daher sei es wichtig, dass der Aktivismus am Leben bleibe und man sich nicht mit faulen Kompromissen zufriedengebe.
Gleichzeitig gibt sich Anna-Béatrice Schmaltz realistisch: «In zehn Jahren werden wir keine Gleichstellung in der Schweiz haben.» Das sieht auch Cécile Bühlmann so. Daher werde sie sich, solange sie kann, auch weiterhin engagieren und den Kampf der jungen Generation unterstützen. Sie weiss: «Es gibt noch viel zu tun, und auf dem Weg dorthin bin ich gerne weiterhin mit dabei.»