Gehypte Abnehmspritzen
Bekannte Experten sind nicht unabhängig

Mehrere Schweizer Ärzte äussern sich in den Medien regelmässig zum Trend um Abnehmspritzen. Was in den Berichten meist unerwähnt bleibt: Die Fachleute werden auch vom Hersteller des Medikaments bezahlt.
Publiziert: 25.02.2024 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2024 um 12:14 Uhr
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Adipositaspritzen eignen sich nicht für alle Menschen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind.
Foto: Getty Images
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Vanessa MistricRedaktorin

Sie gelten als Autoritäten, wenn es um den neusten Umsatzrenner des Pharmakonzerns Novo Nordisk geht: Ärztinnen und Ärzte, die sich in den letzten Jahren immer wieder in diversen Schweizer Medien zu Wort melden.

Häufig führen sie grosse Praxen für Adipositas-Patienten, beurteilen in wissenschaftlichen Artikeln Diätprogramme und Abnehmspritzen wie die von Novo Nordisk und referieren an Fachkongressen über diese. Und: Sie erhalten Geld dafür – auch aus den Kassen des weltweit tätigen Gesundheitskonzerns aus Dänemark. Dieses Detail bleibt unerwähnt.

Ein aktuelles Beispiel: Susanne Maurer, Leiterin des Zentrums für Adipositas- und Stoffwechselmedizin in Winterthur ZH, warnte wiederholt in Zeitungen, ihre Adipositas-Patienten und -Patientinnen seien verzweifelt. Auch weitere Fachleute wie Bernd Schultes vom Stoffwechselzentrum St. Gallen berichteten über Hoffnungslosigkeit und Wut ihrer Patienten.

Behandlungen können bis zu 800 Franken pro Monat kosten

Ihr Problem: Ältere Diabetes-Medikamente von Novo Nordisk seien wegen des weltweiten Hypes vergriffen, der durch die gewichtsreduzierende Wirkung der aktuellen Präparate ausgebrochen ist. Die Kosten für neu entwickelte Abnehmspritzen des Herstellers hingegen würden von den Krankenkassen noch nicht übernommen. Deshalb müssten viele schwergewichtige Patienten die Mittel absetzen und nähmen wieder zu.

Der Aufschrei aus der Ärzteschaft mag berechtigt sein, er ist aber durchaus im Sinne des Herstellers. Novo Nordisk forderte kürzlich, die Grundversicherung solle die Kosten für seine neueren Präparate wie etwa Ozempic übernehmen – und zwar so bald wie möglich.

Der Bund verhandelt gerade mit Novo Nordisk über den Preis und prüft, ob die Abnehmspritzen überhaupt die Kriterien einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfüllen. In den USA kostet die Behandlung mit Ozempic umgerechnet 800 Franken pro Monat.

Sogenannte «Experten» sind oft nicht unabhängig

Vor diesem Hintergrund irritiert es, dass Adipositas-Ärzte wie Maurer und Schultes trotz ihrer Verbindungen zum Hersteller als unabhängige Experten auftreten.

Maurer bedankte sich vor mehreren Jahren auf Linkedin bei einem Manager von Novo Nordisk für die partnerschaftliche Zusammenarbeit. Das dänische Unternehmen unterstützt sie seit Jahren finanziell in ihrer Forschung, bezahlt sie für Vorträge und finanziert Reise- und Kongressgebühren. In den letzten Jahren zahlte ihnen Novo Nordisk gemäss eigenen Angaben mindestens 10'000 Franken. Und das Adipositaszentrum, das Maurer leitet, erhielt mehr als 14'000 Franken vom Konzern.

Bernd Schultes sitzt im wissenschaftlichen Beirat von Novo Nordisk und verantwortet Studien des Unternehmens. Zudem wird er von dort für Vorträge über die Abnehmspritzen bezahlt.

13'600 Franken zahlte Novo Nordisk zwischen 2017 und 2022 an den St. Galler und sein Unternehmen «für Beratung, Vorträge und Sponsoring». Schultes ist zudem Vizepräsident der Schweizerischen Adipositas-Gesellschaft SMOB, die laut Novo Nordisk bisher 9000 Franken erhielt.

Beide Ärzte sagen, die Zahlungen seien regelkonform, es handle sich um vertraglich geregelte Entgelte für Dienstleistungen. Zudem legten sie ihre Interessenbindungen bei wissenschaftlichen Publikationen und Vorträgen immer offen; auch seien alle Zahlungen in den Transparenzberichten des Unternehmens ersichtlich.

Somit seien die Angaben auch für die Medien gut ersichtlich. Maurer fügt an, die an sie ausgezahlte Geldsumme liege im Promillebereich des kumulierten Umsatzes über die Zeit, in der sie überwiesen wurde.

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