Jede Frau, die berufstätig ist, hat wohl folgende Situation schon einmal erlebt: Sie macht in der Sitzung einen Vorschlag. Niemand reagiert, das Gespräch geht weiter. Einige Minuten später macht ein Mann denselben Vorschlag, verändert eventuell die Wortwahl ein bisschen. Plötzlich wird der Vorschlag angeregt diskutiert, eventuell sogar umgesetzt. Die Lorbeeren für die Idee gehen dann an den Mann.
So ähnlich, einfach in einem wissenschaftlichen Feld, in dem erst noch sehr viel Ehre und noch viel, viel mehr Geld zu holen ist, geht es gerade der US-serbischen Chemikerin Svetlana Mojsov (72). In den vergangenen Jahren hat ein Trio von Wissenschaftlern mehrfach renommierte Preise für Forschungsarbeiten abgeräumt, die auch auf ihrer Forschung beruhen – selbst jedoch schaut sie regelmässig in den Mond. Darüber berichtet das renommierte US-Wissenschaftsmagazin «Science».
Ein Wirkstoff für Diabetiker bringt der Fettweg-Industrie Milliarden pro Jahr
Konkret geht es um die Wirkstoffe in Fettweg-Spritzen wie Ozempic, die aktuell in den Medien weit besprochen werden. Sie bringen nicht nur erwiesenermassen die Pfunde zum Purzeln, sondern helfen gleichzeitig auch bei Bluthochdruck und können so Herzkrankheiten lindern und Infarkte verhindern. Hauptsächlich aber hilft Ozempic Diabetikern, für die es eigentlich entwickelt wurde: Der Wirkstoff erhöht ein Hormon im Körper, das den Insulinhaushalt regelt.
Kleine Nebenbemerkung zum Gewichtsverlust: Ohne Nebenwirkungen, von denen schwere Übelkeit noch die harmloseste sein kann, geht es auch hier nicht. Aber immerhin verliert man rund 2,5 Kilo pro Monat mit den Injektionen, bis nach dem Verlust von bis zu 15 Prozent des Körpergewichts für die meisten Nutzer ein Plateau erreicht ist. Dies alles ist ein Milliardengeschäft. Und ein Feld, in dem erfolgreiche Wissenschaftler Preis einheimsen. Nicht aber Mojsov.
Mojsov erarbeitet mit Haberer die Grundlagen, die Lorbeeren kriegt nur er
Als Mojsov 1972 als junge Doktorandin aus Belgrad an die Rockefeller Universität in New York kam, arbeitete sie bald schon im Labor des renommierten Biochemikers Bruce Merrifield, einem renommierten Chemiker, der später einen Nobelpreis für Arbeit mit Proteinstücken, den sogenannten Peptiden, erhalten sollte. Die Forschung konzentrierte sich darauf, wie ein gewisses Peptid den Insulinspiegel von Fischen, Ratten und Hasen beeinflusst. Später wurde Mojsov rekrutiert, um bei einem anderen Nobelpreisanwärter weiterzuforschen und am Massachusetts General Hospital ein Forschungslabor zu leiten.
Zwei Stockwerke unter ihr arbeitete ein US-Biochemiker namens Joel Habener (86) mit seinem Team an ähnlicher Arbeit. Habener schlug Mojsov eine Kollaboration vor. 1986 sowie 1987 erschienen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der beiden in zwei unterschiedlichen Studien. Sie gelten bis heute als Grundlagenforschung zur Wirkung von Peptiden namens GLP-1, dem Ozempic-Wirkstoff, auf den Hormonhaushalt, der die Insulin-Ausschüttung regelt.
Von der Patentierung erfährt sie erst viel später
1990 zog es Mojsov zurück nach New York, an die Rockefeller University. Ihr Ehemann, ein Immunologe, bekam dort ein lukratives Jobangebot. Auch Mojsov wechselte zur nächsten hochdotierten Stelle, schon wieder bei einem zukünftigen Nobelpreisträger: Beim Mediziner und Biochemiker Ralph Steinman war sie zunächst Assistenzprofessorin. Zu dieser Zeit hatte Mojsov bereits zwei Kleinkinder.
Als sie 1996 dazu kam, sich nach ihrer ehemaligen Forschung zu erkundigen, erlebte sie eine böse Überraschung. Habener und zwei andere Wissenschaftler hatten bereits 1992 mehrere Patente zu den gemeinsamen Forschungsresultaten zu GLP-1 angemeldet – ohne sie mit einzubeziehen. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten erlangte Mojsov zwischen 2004 und 2006 Recht und ihr Name wurde auf den Patenten mit einbezogen. Und sie bekam eine finanzielle Kompensation. Schliesslich lag der Marktwert der GLP-1-Medikamente gegen Diabetes und Fettsüchtigkeit im Jahr 2022 bei unglaublichen 22 Milliarden US-Dollar.
Die Wissenschaftswelt hinkt dem Recht hinterher
Während Mojsov seither immerhin das Recht auf ihrer Seite hat, sieht es mit der Anerkennung aus der wissenschaftlichen Welt anders aus: Die Preise, die für GLP-1-Forschung verliehen wurden, zuletzt 2021 der renommierte kanadische Gairdner International Award, gingen immer noch nur an Habener und sein Mitstreiter. Habener gilt mittlerweile sogar als Anwärter auf den Nobelpreis – Mojsov nicht.