Kongresse, Spesen, Abendessen
Wie der Abnehmspritzen-Hersteller unsere Ärzte umgarnt

4,1 Millionen Franken gab Novo Nordisk, die dänische Herstellerin von Abnehmspritzen, letztes Jahr aus, um Ärztinnen und Ärzte zu umwerben. So viel wie noch nie.
Publiziert: 17.09.2023 um 19:43 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2023 um 16:03 Uhr
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Kleine Spritze, grosser Hype: Herstellerin Novo Nordisk kommt mit der Produktion von «Ozempic» kaum mehr nach.
Foto: IMAGO/ANP
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Elon Musk soll damit 13 Kilo abgenommen haben; Kim Kardashian nur deswegen in ihr Marilyn-Kleid gepasst haben. Die neue Generation von Abnehmmitteln wie Ozempic oder Wegovy hat einen solchen Hype ausgelöst, dass spezialisierte Kliniken Wartelisten von bis zu einem halben Jahr führen und Novo Nordisk, Hersteller von Ozempic, kaum mehr nachkommt mit der Produktion der Spritzen.

Für Ozempic-Herstellerin Novo Nordisk sind die Medikamente eine Goldgrube: Diesen September wurde die dänische Firma zur wertvollsten europäischen Firma. Konkurrentin Eli Lilly, welche die Abnehmspritze Mounjaro vertreibt, ist neu mehr wert als Roche und Novartis zusammen. In der Schweiz haben sich die Kosten für den Wirkstoff Semaglutid gemäss Helsana-Arzneimittelreport in den letzten drei Jahren verdreifacht: von 15,7 auf 51,6 Millionen Franken.

Novo Nordisk und Eli Lilly helfen bei diesem Hype tatkräftig nach – indem sie Ärzte und Spitäler zu Kongressen einladen, für Reisen, Übernachtungen oder Essen aufkommen, Beraterhonorare bezahlen. 4,1 Millionen Franken hat Novo Nordisk im letzten Jahr dafür ausgegeben – fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor (2,1 Millionen). In den letzten acht Jahren waren es insgesamt 22 Millionen Franken. Konkurrentin Eli Lilly hat in den vergangenen acht Jahren insgesamt 30 Millionen gezahlt, 2022 ebenfalls eine Rekordsumme von sieben Millionen Franken.

Beide fungieren damit in den Top 20 der insgesamt 65 Firmen, die ihre Zahlungen offenlegen. SonntagsBlick hat diese mit dem «Beobachter» und der «Handelszeitung» auf pharmagelder.ch ausgewertet und zur Verfügung gestellt.

Spezialist vom Zürcher Unispital zuoberst

Gleich drei Chefärzte, alles spezialisierte, zum Teil international anerkannte Diabetologen, führen die Liste der Top-Empfänger von Novo Nordisk an. Roger Lehmann, stellvertretender Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsspital Zürich, hat mit insgesamt 63'000 Franken seit 2015 am meisten erhalten. Bei einem stellvertretenden Chefarzt am Zuger Kantonsspital waren es 46'000 Franken, der Chefarzt am Kantonsspital in Frauenfeld TG strich innert acht Jahren 44'500 Franken ein.

Damit nicht genug: Auch Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) unterstützt der dänische Abnehmriese tatkräftig. 13 von 19 Vorstandsmitgliedern haben in den letzten Jahren von Novo Nordisk mindestens vierstellige Beträge erhalten. Die SGED geniesst als Fachgesellschaft eine hohe Glaubwürdigkeit, hat eine meinungsbildende Funktion in der Branche.

Studien zeigen, dass schon kleine Beträge an Ärztinnen, etwa für ein Mittagessen, das Verschreibungsverhalten verändern können. So neigen Ärzte, die Zahlungen erhalten, eher dazu, teurere Originalmedikamente zu verschreiben, und unterschätzen Nebenwirkungen eher.

Professor und früher Pharmaberater

Wie weit zu gehen die Pharmariesen bereit sind, deckte kürzlich der «Observer» auf: Ein britischer Professor lobte das Medikament Wegovy vor einem Millionenpublikum im BBC-Radio – erwähnte aber nicht, dass er zugleich Präsident der European Association for the Study of Obesity ist, die vom Wegovy-Hersteller in drei Jahren über 3,6 Millionen Britische Pfund erhielt. Der Professor war früher Berater von Novo Nordisk.

Bei Lehmann fällt auf, dass er erst seit seiner Ernennung zum stellvertretenden Direktor Zahlungen von Novo Nordisk erhält. Einen guten Teil davon für Beratungen und Vorträge, beispielsweise an Kongressen. Lehmann schreibt, eine internationale Reise koste schnell mal 15'000 bis 20'000 Franken. Er besuche zwei pro Jahr, was die Beiträge erkläre. Bei den Vorträgen sei er inhaltlich «komplett frei». Entschädigt werde er mit einem Stundenhonorar von 100 bis 150 Franken, «was meiner Ausbildung und Stellung absolut angemessen ist». Da er für praktisch alle im Diabetesbereich tätigen Pharmafirmen Vorträge halte, sei er ärztlich unabhängig. Die Vorträge kämen schliesslich dem Unispital zugute, da man dadurch mehr Zuweisungen habe.

Novo Nordisk schreibt, die «geldwerten Leistungen» an Fachpersonen würden von deren Tätigkeitsgebieten abhängen. Man investiere heute in mehr Therapiebereiche wie etwa Adipositas als früher.

Mitarbeit: Otto Hostettler, Simon Huwiler, Michael Heim und Seraina Gross

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