Die rechtsextreme Szene ist im Aufbruch. Im Schatten der Covid-Pandemie haben sich Neonazis in der Schweiz neu formiert. Sie organisieren sich in schlagkräftigen Gruppen, trainieren Kampfsport – und werden zum Sicherheitsrisiko.
Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Die Lage verschlechtere sich, schreibt er in seinem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht. Mehr noch: Es sei mit einer Zunahme rechter Gewalttaten zu rechnen. Konkret nennt der NDB Übergriffe auf Muslime und Moscheen.
Tiefgreifender Wandel
Auf den ersten Blick erstaunt die Einschätzung. Im vergangenen Jahr war es vordergründig ruhig. Der Nachrichtendienst registrierte 21 rechtsextreme Vorfälle, nur bei einem davon war Gewalt im Spiel. Zum Vergleich: Linksextreme verübten 107 Gewalttaten.
Doch das rechte Milieu macht gerade einen tiefgreifenden Wandel durch. Eine neue Generation militanter Aktivisten drängt in den Vordergrund. Hat die Szene in den letzten Jahren noch die Öffentlichkeit gescheut, geht sie nun in die Offensive. Die Hemmschwelle sinkt. Oder wie der NDB schreibt: «Der Mut, sich zu zeigen und die Auseinandersetzung zu suchen, steigt.»
Neue Gruppierungen nehmen Anlauf. Sie haben laut dem Nachrichtendienst «sowohl in der deutsch- wie in der französischsprachigen Schweiz die motiviertesten und radikalsten Personen zusammengeführt». Die Veränderungen innerhalb der Szene würden «das Normalmass übersteigen».
Erfolgreiche Propagandavideos
Namen nennt der NDB keine. Am schnellsten wächst jedoch die Gruppe Junge Tat. Deren Hintermänner haben es mit professionell produzierten Propagandavideos geschafft, den Rechtsextremismus für junge Menschen wieder attraktiv erscheinen zu lassen. Tausende verfolgen die Social-Media-Kanäle der Gruppe.
Gegen aussen geben sich die Mitglieder der Jungen Tat als hippe Patrioten. Sie pflegen einen gesunden Lebensstil und unternehmen gemeinsame Wanderausflüge. Hinter den Kulissen aber fantasieren sie vom globalen Rassenkrieg – und horten Waffen.
Polizei geht gegen Anhänger vor
Die Polizei ist wiederholt gegen Anhänger der Gruppierung vorgegangen, hat mehrere von ihnen vorübergehend festgenommen. Bei einem der Anführer beschlagnahmten die Beamten ein Sturmgewehr.
Anfang April verurteilte die Staatsanwaltschaft fünf junge Aktivisten aus dem Umfeld der Jungen Tat wegen Rassendiskriminierung, Vergehen gegen das Waffengesetz und Sachbeschädigung. Im Strafbefehl schreiben die Ermittler: Die Beschuldigten hätten «die Ideologie des Nationalsozialismus» verbreitet und «die Gruppe der Juden und diejenige dunkelhäutiger Menschen» diskriminiert, indem sie diese «in ihrer Menschenwürde krass herabsetzten und Hass gegen sie schürten».
Radikalisierte Einzelpersonen?
Erstmals warnt der Schweizer Nachrichtendienst in seinem Bericht zudem vor einer neuen Art von Gewalttätern, die den ausländischen Geheimdiensten schon länger Sorgen bereiten: radikalisierte Einzelpersonen, die nur lose oder überhaupt keine persönlichen Kontakte zum rechtsextremen Milieu pflegen und doch innert Monaten ein terroristisches Potenzial entfalten.
Es sei davon auszugehen – so der NDB –, dass rechtsextreme Organisationen «ein gewisses Mass an sozialer Kontrolle über ihre Mitglieder ausüben und sie eher von Gewalttaten abhalten». Diese Kontrolle entfällt bei Personen, die nicht in feste Strukturen eingebunden sind.
Kommt hinzu: Gewaltbereite dieser Art schlüpfen oft unter dem Radar der Behörden durch. So wie Brenton Tarrant, der 2019 im neuseeländischen Christchurch zwei Moscheen stürmte und 51 Menschen erschoss. Zuvor hatte er auf Facebook über Jahre hinweg rassistische Drohungen ausgestossen – bis er die Tastatur gegen ein Sturmgewehr eintauschte.
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